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Herzenhören

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Titel: Herzenhören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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der Kopf das Herz schlimmer belasten kann als selbst die schwerste Plackerei.
    Worüber sorgte sich Su Kyi? Die Männer waren gegangen, und sie wiederholte Satz für Satz, was die beiden gesagt hatten, und ganz allmählich erreichten ihn ihre Worte. Mit dem Zug. In die Hauptstadt. Allein.
    »Warum? Was will mein Onkel von mir?«, fragte Tin Win, nachdem er endlich begriffen hatte, was Su Kyi ihm erzählte.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Im Dorf sagt man, er sei sehr vermögend und habe gute und einflussreiche Freunde unter den Engländern. Angeblich sogar bis hinauf zum Gouverneur. Ich bin sicher, er kann dir helfen.«
    »Ich brauche keine Hilfe.« Tin Win lachte bei dem Gedanken, jemand könnte ihm aus Mitleid Hilfe anbieten. »Ich vermisse nichts. Mir kann es gar nicht besser gehen.«
    »Vielleicht hat er von deinem Augenleiden erfahren und möchte, dass dich ein britischer Arzt untersucht. Auf jeden Fall müssen wir nun schauen, was du mitnehmen kannst.« Sie wandte sich ab und wollte ins Haus gehen.
    »Su Kyi, was denkst du wirklich?« Tin Win wusste, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagte. Ihr Herzschlag passte nicht zu ihren Worten, die ihn beruhigen sollten.
    »Ach, es ist nur… Ich werde dich vermissen. Aber was rede ich da, ich altes, selbstsüchtiges Weib. Wer hat schon das Privileg, einmal in die Hauptstadt reisen zu dürfen? Mein Leben lang träume ich davon, es einmal bis nach Taunggyi zu schaffen. So eine Reise ist etwas ganz Besonderes, und du wirst viel erleben und lernen. Ich sollte mich freuen für dich.«
    »Su Kyi!« Seine Stimme klang mahnend. Er hörte genau, dass sie ihm nicht sagte, was sie wirklich dachte.
    »Und außerdem wirst du ja spätestens in ein paar Wochen wieder zurück sein«, fuhr sie fort, als hätte sie ihn gar nicht gehört.
    Tin Win erschrak bei diesem Satz. Bis jetzt war die Idee des Reisens etwas Abstraktes gewesen. Er war noch nie verreist und hatte keine Vorstellung, was das wirklich bedeutete. Er würde Kalaw verlassen müssen. Er würde an einem neuen, ihm fremden und also unheimlichen Ort ankommen, und er wusste nicht, was ihn dort erwartete. Er würde sich trennen müssen von Su Kyi, vom Kloster und den Mönchen, vom Haus, von den vertrauten Geräuschen und Gerüchen. Von Mi Mi.
    Das war so unvorstellbar, dass er bis zu diesem Augenblick daran nicht gedacht hatte. Sie war ein so selbstverständlicher Teil seines Lebens, ein Teil von ihm, dass es ihm nicht in den Sinn gekommen war, sich jemals und auch nur für einen Tag wieder von ihr trennen zu müssen. Nun sollte er in ein paar Stunden fort und wusste nicht einmal, wann er zurückkehren durfte. In wenigen Wochen oder ein paar Monaten? Ob überhaupt? Er spürte, wie die Dämonen und Gespenster in ihm wach wurden. »Ich muss zu Mi Mi«, sagte er und drehte sich um.
    Tin Win nahm den holprigen Pfad über den Bergkamm. Er kannte jeden Stein, jede Kuhle auf dem Weg und ging schneller, fing an zu laufen. Zunächst noch etwas vorsichtig, dann in immer größeren Sätzen, bis er rannte, so schnell er konnte. Es gab eine Kraft in ihm, die ihn vorwärts trieb, die keine Angst vor einem Sturz kannte und ihn jede Vorsicht vergessen ließ. Er raste an dem Tümpel vorbei und bog am Bambushain ab, er flog die Wiese hinunter und auf der anderen Seite wieder hinauf. Er rannte, ohne zu stolpern, und spürte kaum noch die Erde unter seinen Füßen. War es die Erinnerung, sein Instinkt oder die Sehnsucht, die ihn so sicher zu Mi Mis Haus leitete?
    Auf den letzten Metern ging er wieder langsamer und verschnaufte für einen Augenblick hinter der Hecke aus Hibiskusbüschen, die das Haus vom Weg abgrenzte. Er trat in den Hof, der Hund kam ihm entgegen und sprang an ihm hoch. Tin Win streichelte und beruhigte ihn. Er hörte das Schwein unter der Veranda schnarchen. Im Haus war alles ruhig. Langsam stieg er die Treppe hinauf. Die Tür war nicht verschlossen, sie knarrte beim Öffnen. An ihrem Herzschlag konnte er hören, wo Mi Mi schlief, und vorsichtig tastete er sich durch den Raum zu ihrer Matte. Fast wäre er über einen Blechtopf gefallen, der mitten im Zimmer stand. Er kniete sich neben sie und legte eine Hand auf ihr Gesicht.
    Sie erwachte und erkannte ihn sofort. »Tin Win, was machst du hier?«
    »Ich muss dir etwas erzählen, komm mit«, flüsterte er. Tin Win schob einen Arm unter ihren Hals, den anderen unter ihre Knie und hob sie hoch, ihre Gesichter berührten sich fast. In seinen Armen hatte er sie noch nie

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