Herzensbrecher auf vier Pfoten
stressigen Meetings jeden Tag, gefolgt von Abenden, die eine reine Zeitverschwendung waren und an denen sie die Zeit totschlug, bis endlich der kostbare Donnerstagabend mit Oliver herannahte (sein »Sportstudio«-Abend). Dies hatte ihre Abende seltsam einseitig werden lassen. Bei der Arbeit hatte sie ein Telefonbuch gehabt, das aus allen Nähten platzte, während ihre Abende und die endlosen Wochenenden von einer großen Einsamkeit und Stille gekennzeichnet gewesen waren. Darum hatte sie versucht, sie mit Einkaufsbummeln, Yogastunden und allem Möglichen zu füllen, damit sie das Gefühl hatte, beschäftigt und ausgelastet zu sein.
Jetzt allerdings begann Rachels Tag morgens um halb acht, wenn Megan eine Tasse Tee vor ihrem Zimmer abstellte, und endete nachts um elf, wenn sie ins Bett ging, erschöpft von den kilometerlangen Spaziergängen mit den Hunden und stundenlangen Gesprächen mit fremden Menschen über die Vorzüge von Staffordshire Terriern im Vergleich zu Collies. Rachels schwammähnliches Gehirn sog sich schnell voll mit Erziehungstipps und allen möglichen Fakten über Hunde, dort, wo sie zuvor nur Adressen von Londoner Restaurantsund Outletshops gespeichert hatte. Langsam, aber sicher rückten die Hunde immer weiter in ihr Herz vor, obwohl sie laut eigener Aussage eigentlich gar kein »Hundetyp« war. Als der fünfte Hund die Station verließ und in die Arme seiner liebevollen neuen Besitzer abgegeben wurde – Flash, ein schüchterner kleiner Westie –, merkte sie, wie ihr die Tränen kamen, während Megan und Freda ohne Hemmungen weinten.
Da Rachel die beiden den ganzen Tag lang um sich hatte, blieb ihr gar keine Zeit, um an Oliver zu denken, doch sie hielt sich eine Stunde jeden Abend frei, um angesichts ihres privaten Unglücks in Selbstmitleid zu baden. Megan fand es süß, wie sie ihre Zeit für Gem aufsparte, um mit ihm spazieren zu gehen und eine engere Bindung zu ihm aufzubauen. Dabei konnte sie jedoch Rachel nicht hören, die, während sie die Obstwiese umrundete und durch die Felder um das Haus wanderte, über sich selbst schimpfte, über Oliver und die Ungerechtigkeit des menschlichen Herzens, sich hauptsächlich aber über ihre eigene Dummheit aufregte. In der ersten Woche hatte sie eine geschlagene Stunde gebraucht, um ihren Monolog über ihren Kummer zu halten und wüste Beschuldigungen auszustoßen. Am Ende des Monats merkte sie aber, dass sie stattdessen die letzten zwanzig Minuten ihrer freien Stunde damit verbrachte, sich Gedanken über Dot und Felix zu machen oder die Frage, wie sie die Stromrechnung bezahlen sollte.
Ein Nachteil des Lebens in Longhampton war jedoch, dass ihre Mutter nun genau wusste, wo sie Rachel antreffen konnte. Rachel konnte nicht mehr wie in London vorgeben, sich in einem »Meeting« zu befinden – dies war vor allem deshalb nicht mehr möglich, weil Megan und Freda Val gerne und unverzüglich zu Rachel durchstellten.
Rachel saß gerade mit Natalie in der Küche und war mit einem Brainstorming für Ideen zu Spendenaktionen beschäftigt, als Val anrief und auf den »neuesten Stand« gebracht werden wollte.
»Es gibt nichts Neues, Mum«, erwiderte Rachel, drehte sich zu Natalie um und verdrehte entschuldigend die Augen. »Es sei denn, du hättest Interesse an einem Schnauzer?«
Natalie verzog das Gesicht. Kurz nach der Fütterungszeit war sie hergekommen und hatte Bertie mitgebracht. Rachel war sich nicht ganz sicher: Entweder verspürte Natalie das brennende Verlangen, Rachel zu helfen und Finanzierungsmöglichkeiten für das Hundeheim zu finden, oder sie wusste nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen.
»Natürlich will ich keinen Schnauzer, Rachel! Was hat denn der Immobilienmakler zum Haus gesagt?« Rachel hörte im Hintergrund einen Staubsauger und fragte sich, ob Val mehrere Dinge gleichzeitig erledigte oder ob ihr Vater tatsächlich zur Hausarbeit verdonnert worden war.
»Er meinte, es sei ein sehr schönes Haus, in dem aber noch eine ganze Menge Arbeit anfallen würde. Er sagte irgendetwas von einer Verstärkung der Fundamente.« Rachels Gehirn hatte sich an diesem Punkt ausgeklinkt und sich stattdessen mit der Frage beschäftigt, was besser wäre: dass das Haus viel wert war, damit sie anderswo vielleicht ein schickes Häuschen kaufen könnte, oder dass es nichts wert war, damit sie nicht für eine enorm hohe Erbschaftssteuer aufkommen musste.
»Was bedeutet das?«
»Keine Ahnung. Er hat seine Schätzung den Notaren übermittelt; ich
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