Herzensbrecher auf vier Pfoten
die Gem und seine Brüder tagelang mit sich herumtrug, weil sie noch zu klein waren, um alleingelassen zu werden. Sie war eine Frau gewesen, die die Möglichkeit eigener Kinder zugunsten der Hunde aufgegeben hatte. Das Verlangen, zu lieben und die Kleinen großzuziehen, hatte sie jedoch nicht aufgeben können.
Kann ich das?, fragte sich Rachel. Vielleicht bin ich ja wirklich so selbstsüchtig, wie manche meinen? Sollte ich nicht eigentlich wissen, was ich will? Hat Mum nicht erzählt, dass sie vor Freude geweint hat, als sie herausfand, dass sie mit mir schwanger war? Und was war mit Amelia, die bei der Hochzeit eines Cousins dem Armen die Schau stahl, als sie ihre Schwangerschaft verkündete, weil sie »vor Glück zu platzen drohte«?
»Ich werde eine Rabenmutter sein, oder?«, fragte sie laut und streckte den Arm aus. Gem bettete seinen Kopf darauf und wartete geduldig.
In der Küche bereitete Megan gerade Rührei für eine halb verhungerte, trächtige Dobermannhündin zu.
»Ich habe dich und Gem auf der Obstwiese gesehen«, erklärte Megan, als Rachel die Tür zur Küche aufschloss. »Willst du Agility-Training mit ihm betreiben?«
»Agility?« Rachel warf wie gewohnt als Erstes einen Blick auf ihr Handy, stets auf der Suche nach einer Nachricht von Oliver. Verärgert über sich selbst schaute sie weg.
»Klar! Darin wäre er bestimmt super. Du könntest dann ein paar Kunststücke beim Tag der offenen Tür vorführen. Ein paar Hütchen und Hindernisse stehen im Schuppen – soll ich sie für dich herausholen? Für die Staffies wäre es auch nicht schlecht, damit könnten sie Energie abbauen, außerdem macht es immer einen guten Eindruck auf Besucher. Ich habe mir Natalies Pläne angeschaut – ich hoffe, du bist mir deswegen nicht böse.«
Rachels Blick fiel auf die Notizen, die Natalie auf dem Küchentisch hatte liegen lassen. Sie besaß eine klare, schöne Handschrift und hatte einzelne Abschnitte durch Umrandungen und Unterstreichungen hervorgehoben. Das alles schien eine Ewigkeit her zu sein.
Natalie. Rachel spürte, wie sie innerlich zusammenzuckte bei der Erinnerung an den traurigen Ausdruck in Natalies Gesicht, als diese ihr den Schwangerschaftstest gegeben hatte. Es war nur ein Test, ermahnte sich Rachel. Es ist noch viel zu früh, um irgendetwas sagen zu können! Vielleicht ist ja auch gar nichts – womöglich habe ich tatsächlich etwas falsch gemacht.
»Megan, bist du Patientin in der Gemeinschaftspraxis?«, erkundigte sie sich. »Wer ist dort dein Arzt?«
»Dr. Carthy.« Megan schien der plötzliche Themenwechsel nicht zu überraschen. »Ich versuche ja immer noch, bei Dr. Harper zu landen, aber das hast du bestimmt schon bemerkt.«
»Ist Dr. Carthy … nett?«
Ach, halt doch den Mund, Rachel, schalt sie sich selbst. Nett? Du meinst wohl eher, ob er mit alleinstehenden Frauen schimpft, die wie ein dummer Teenager gleich beim ersten One-Night-Stand schwanger geworden sind?
»Ähm, ja? Obwohl er ziemlich altmodisch ist. Es gibt aber auch einige Ärztinnen hier im Dorf. Dr. Powell zum Beispiel ist sehr nett. Vor ein paar Jahren hat Dot ihr einmal einen süßen alten Cavalier King Charles Spaniel vermittelt.« Megan lächelte, doch dann runzelte sie die Stirn. »Du bist aber doch nicht etwa krank, oder?«
»Nein, nein. Ich dachte nur … ich sollte mich vielleicht irgendwo als Patientin anmelden.«
»Gut«, erwiderte Megan erleichtert. »Möchtest du eine Tasse Tee? Ich wollte gerade Teewasser aufsetzen. Freda hat jede Menge Notizzettel liegen lassen, die wir durcharbeiten müssen – und obendrein gibt es noch Neuigkeiten aus der Imbissstube. Freda glaubt, dass Ted dieses Jahr vielleicht endlich in Rente gehen wird! Kaum zu glauben, oder? Aber sie ist fest davon überzeugt, ihn von der Fritteuse loseisen zu können, da Dr. Carthy ihm cholesterinsenkende Medikamente verordnet hat. Ich würde vorschlagen, wir besorgen ihnen einen Hund.«
Rachel verspürte mit einem Mal das dringende Bedürfnis, allein zu sein, umgeben von Stille – dann müsste sie nicht so tun, als sei alles in bester Ordnung. Im Augenblick ging ihr einfach zu viel durch den Kopf, um ernsthaftes Interesse an Ted Shackleys Cholesterinwerten zu heucheln.
»Megan, ich lasse dich nur ungern mit Fredas Notizen allein, aber ich muss dringend mit der Auflösung des Haushalts weitermachen«, erklärte sie mit einem entschuldigenden Schulterzucken. »Anordnung von meiner Mutter – eine Stunde am Tag, bis ich die Sache
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