Herzensbrecher auf vier Pfoten
darüber klar zu werden, was sie tun wollte. Johnny war ihr in dieser Beziehung keine große Hilfe; tatsächlich weigerte er sich sogar, irgendeinen Rat zu geben – egal, ob es darum ging, ob sie wieder arbeiten gehen sollte, ob sie Bertie behalten oder ob sie beide sich für eine künstliche Befruchtung anmelden sollten. Offenbar lag es allein in ihrer Hand; sie war die Einzige, die es überhaupt verdient hatte, Entscheidungen zu treffen.
An dem Morgen, an dem sie im Krankenhaus einen Termin für eine Beratung hinsichtlich der Zeugungsfähigkeit hatten, war Johnny überraschend in eine schreckliche und für ihn vollkommen untypische Apathie versunken, nachdem er beschlossen hatte, den Termin nicht wahrzunehmen. Kein Betteln und Flehen hatte ihn von diesem Entschluss abbringen können.
»Was soll ich denn da noch erfahren, was ich nicht ohnehin schon weiß?«, hatte er gejammert. »Meine Spermien sind nutzlos. Finde dich damit ab, ich tue es schließlich auch gerade.« Mit versteinerter Miene hatte er sich danach geweigert, dieses Thema weiter zu diskutieren, und war mit einem Gesichtsausdruck zur Schule gestürmt, der wahrscheinlich seine ersten drei Klassen zu absolutem Schweigen verstummen lassen würde. Als er fort war, hatte Natalie fünf Minuten lang die Tür angestarrt, bevor sie sich aufs Sofa gelegt und geweinthatte, bis Bertie an ihr hochgeklettert war und ihr die Tränen aus dem Gesicht geleckt hatte.
Da Johnny jeden Versuch ablehnte, eine Behandlung durchzuführen, geschweige denn, überhaupt zu einer Beratung zu gehen, schien ihr »Sabbatjahr«-Plan keinen Sinn mehr zu haben. Mittlerweile kam ihr dieser Plan sogar ziemlich maßlos vor. Deshalb, so stellte sie traurig fest, sei es wohl das Beste, Maria Purcell zurückzurufen, um ihre Karriere wieder in Schwung zu bringen.
Sie sprach professionell forsch, bis das Gespräch beendet war, und legte dann mit einem Seufzer auf. Bertie war trotz ihrer Versuche, dies zu unterbinden, neben ihr auf die Parkbank gesprungen und steckte seinen Kopf in ihre Handtasche auf der Suche nach einem Kit-Kat-Riegel.
Natalie lehnte sich zurück und schaute hinaus auf den Kanal, auf dem ein Schwan eine ganze Horde grauer Schwanenjunge zu einer Schleuse begleitete, die Natalie erst aufgefallen war, seitdem sie mit Bertie den Treidelpfad entlangspazierte.
Das werde ich vermissen, dachte sie plötzlich. Schon längst fühlte es sich nicht mehr so an, als habe sie Urlaub – vielmehr war es so, als führte sie ein anderes Leben.
Die Spaziergänge mit Bertie hatten ihr die Augen geöffnet für eine Stadt, die sie in- und auswendig zu kennen geglaubt hatte. Sie hatten sie zu Villen im georgianischen Stil geführt, zu Häusern mit verblassten Anzeigetafeln für Bäckereien und Karosseriebauer, die sich immer noch im Mauerwerk befanden, über hübsche Brücken und ausgediente Eisenbahnschienen, zu einem versteckten Gemeindesaal und vorbei an einer Gruppe netter älterer Leute, die fast schon zu Bekannten geworden waren, da Natalie und Bertie ihnen Tag für Tag begegneten. Natalie wunderte sich, wie sie früher überhaupt Zeit gefunden hatte, um gründlich nachzudenken, wenn sie nicht eine Stunde lang die Fußwege entlanggelaufen war undsich gedanklich mit ihren Problemen auseinandergesetzt hatte, während sie den gelben Pfeilen des Rundwegs auf dem Boden folgte.
Triumphierend tauchte Berties Kopf wieder aus ihrer Tasche auf. Er hatte die Socke gefunden, die Johnny dort anfangs versteckt hatte, um seine Fähigkeit als Spürhund zu »trainieren«, als sie beide noch daran geglaubt hatten, Bertie gewisse Fähigkeiten beibringen zu können.
»Die Socke ist zwei Wochen alt, Bertie«, schalt Natalie und nahm sie ihm aus dem Maul. Mit einem Anflug von Trauer erinnerte sie sich daran, wie Johnny und sie gemeinsam Hand in Hand durch den Park spaziert waren und den Hund dabei beobachtet hatten, wie er ihnen schnüffelnd vorauslief. Wie eine richtige Familie.
Bertie starrte zu ihr hoch und warf ihr einen Blick zu, der herzergreifend war, jedes Mal aufs Neue. Er gab sich so viel Mühe, dabei würde sie auch ihn bald wieder abgeben müssen. Manchmal konnte das Leben wirklich verdammt unfair sein.
In der Innenstadt traf sich Rachel gerade ein weiteres Mal mit Gerald Flint in dem Notariat, um noch »offene Probleme« in der Nachlassangelegenheit zu klären. Rachel kam dieser ganze Prozess endlos vor, doch im Gegensatz zu ihr schien Gerald geradezu erfreut zu sein, wie schnell alles
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