Herzensbrecher auf vier Pfoten
war.
Vielleicht konnte man niemanden wirklich kennen. Mechanisch legte Rachel Dots Silberlöffel auf den Tisch. Wahrscheinlich hätte auch Mum nie gedacht, dass Dad einen Typen hätte abschleppen können, wenn er denn gewollt hätte. Und Dad hatte keine Ahnung, dass sein kleines Mädchen weitaus länger die Geliebte eines verheirateten Mannes gewesen war, als Amelia verheiratet war. Vielleicht hatte Mum recht: George könnte insgeheim durchaus noch etwas anderes sein.
Ein kalter Schauer jagte ihr den Rücken hinunter. Nicht einmal so sehr wegen George, sondern hauptsächlich wegen ihr selbst, wegen der Zukunft, die sie noch nicht abschätzen konnte, und wegen des Babys, das, wie sie immer noch nicht glauben konnte, Weihnachten zur Welt kommen würde. Dothatte recht gehabt mit der Aussage, das Haus stecke voller Geheimnisse. Wenn Felix es für sie gekauft haben sollte, so war Four Oaks ein Geheimnis in sich selbst. Vielleicht wäre es besser, das Haus zu verkaufen, um dann einen Neubeginn zu wagen, wie auch Dot ihn hätte wagen sollen, anstatt sich hoffnungslos darin zu verstricken, Dots verrückte Leidenschaft für dieses abgeschiedene Leben fortzuführen.
Val schloss ihre Finger um Rachels Hand und lächelte sie zerknirscht an. In dieser Hinsicht waren sie beide gleich: Nach einem Gefühlsausbruch tat es ihnen sofort wieder leid.
»Dir geht eine Menge durch den Kopf, Liebes, nicht wahr?«, fragte Val.
Rachel nickte. Sie war zu erschöpft, um sich mit ihrer Mutter zu streiten. »Eine Menge«, erwiderte sie und schaffte es, sie anzulächeln.
25
R achel war alles andere als erfreut darüber, einen »ruhigen Augenblick« zu finden, um mit Val über Dots schmerzliches Familiengeheimnis zu sprechen. Dank des hektischsten Samstags, den das Hundeheim je erlebt hatte, blieb ihr dies jedoch glücklicherweise zunächst erspart.
Noch während sie das Frühstück zubereitete, begann die Türklingel zu schrillen und stand dann auch nicht mehr still, als die erste Welle der Ehrenämtler eintraf, alle hochmotiviert durch das strahlende Wetter und die laue Frühlingsluft. Die vielen Freiwilligen drängten sich alsbald in der Küche, wo sie sich lautstark unterhielten und Bacon-Sandwiches verdrückten, die Val zubereiten wollte, obwohl sie am Ofen das ein oder andere Mal mit Freda, der unangefochtenen Königin der Grillpfanne, aneinandergeriet.
Um der entstehenden Spannung ein Ende zu bereiten, schlug Rachel ihren Eltern vor, mit Gem einen Spaziergang zu machen. Als beide fort waren, kümmerte sie sich um die Leute, die im Büro der Auffangstation bereits Schlange standen. Natalies Website hatte zahlreiche Interessenten angelockt, die gern einem herrenlosen Hund ein neues Heim bieten wollten. Während sich Rachel und Megan mit den Leuten unterhielten und Termine für eine Hausüberprüfung vereinbarten, tauchte mit einem Mal eine in Tränen aufgelöste Familie mit drei Terriern auf, deren neuer Vermieter keine Haustiere erlaubte. Megan hatte die Familie gerade erst beruhigt, als George hereinkam und einen kleinen Yorkshire- terrier mitbrachte, den jemand vor seiner Praxis ausgesetzt hatte.
Trotz Rachels Bitten konnte George jedoch nicht länger bleiben. »Ich habe Bereitschaft und bin nur auf der Durchreise zu einem Patienten.« Er warf einen Blick auf die Uhr und runzelte die Stirn. »Eigentlich hätte ich sogar Darren herschicken müssen.«
»Kannst du nicht wenigstens zehn Minuten bleiben? Mum und Dad sind bestimmt gleich wieder zurück.«
George verzog das Gesicht, und Rachel fragte sich, warum er nicht wenigstens über einen Bruchteil von Olivers Umgangsformen verfügen konnte.
»Meine Schwester hat irgendwelche Probleme, weshalb sie früher als geplant abreisen müssen«, fuhr sie fort, da sie ihm nur widerwillig die Wahrheit sagen wollte – dass sie nämlich herausfinden wollte, ob sie ihm tatsächlich wichtiger war als die Arbeit.
»Du weißt, dass ich das nicht kann.« Er schien ein wenig gereizt zu sein. »Rachel, da draußen wartet ein kranker Hund auf mich. Ich kann den Besitzern ja wohl schlecht erklären: ›Tut mir leid, dass Ihr Köter abgekratzt ist, aber ich musste mich mit den Eltern meiner Freundin unterhalten und über die Restaurierung von Autos fachsimpeln.‹«
»Wenn du das so siehst, dann ist es vielleicht tatsächlich besser, wenn du dich jetzt verziehst.« Rachel war klar, wie unvernünftig sie sich verhielt, doch angesichts der Ereignisse des vergangenen Abends waren ihre Nerven ziemlich
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