Herzensbrecher auf vier Pfoten
jetzt allein lassen muss, aber es warten zwei mir bislang unbekannte Patienten auf mich.«
»Tschüss!«, hauchte Megan.
Rachel nickte und lächelte Bill an. »Dann bis bald.«
Die Hunde liefen im Foyer herum und rangelten miteinander wie gelangweilte Kinder – mit Ausnahme von Gem, der in seiner gewohnten Position dalag, die lange Schnauze auf seine Vorderpfoten gebettet. »So, Jungs, dann wollen wir euch mal wieder nach Hause bringen«, rief sie. »Komm, Megan.«
»Ich werde dafür sorgen, dass euer Poster gleich allen ins Auge fällt«, fügte Lauren hinzu und bedachte sie mit einem sonnigen Lächeln. Während sie sprach, flogen ihre Finger über die Computertastatur. »Wir sind ziemlich gut darin, in dieser Praxis ehrenamtliche Helfer zu finden. Die Leute sind mir praktisch ausgeliefert.«
Sie zwinkerte, und als Rachel durch die automatischen Türen trat, kam die Sonne zum Vorschein und ließ die goldgelben Narzissen in den grauen Blumenbeeten aufleuchten.
7
N atalie erledigte gerade drei Dinge auf einmal. Seit sie zur Teamleiterin befördert worden war, beherrschte sie diese Fähigkeit sehr gut. Außerdem würde sich dies sicherlich als nützlich erweisen, wenn sie einmal Kinder bekommen sollte.
In den futuristisch anmutenden Toiletten von GreenPeas Konferenzetage im fünften Stock frischte sie ihr Make-up auf, während sie gleichzeitig übte, wie sie Selina von den Gerüchten über eine Werbekampagne der Konkurrenz für Bio-Kekse, die ihr zu Ohren gekommen waren, berichten sollte. Obendrein hatte sie noch mit einem Auge ihr Handy im Blick, das auf ihrer Handtasche lag, falls sich die Kollegen aus der Marketingabteilung mit den erwarteten Zahlen zum Marktanteil, um die sie gebeten hatte, melden würden.
Natalie betrachtete es als eine im Grunde genommen schreckliche Angewohnheit, das Handy mit auf die Toilette zu nehmen, doch in der Marketingbranche war dies nichts Ungewöhnliches. In der derzeitigen Situation hatte jeder einzelne Mitarbeiter Angst davor, einen Anruf zu verpassen. In der Teeküche ging das Gerücht – verbreitet durch Andrea, die Sekretariatsvorsteherin, die Ohren wie eine Radaranlage und einen Tisch in direkter Chefnähe besaß –, dass die Unternehmensleitung im Begriff sei, »Umstrukturierungen« vorzunehmen. Natalie war schlau genug, um zu wissen, dass dies nur eines zu bedeuten hatte: Entlassungen.
Sie legte noch ein wenig Lipgloss auf und schaute dannnach, ob es auf die Zähne abgefärbt hatte. Ihr Team war gut, und sie war in den letzten drei Meetings lobend erwähnt worden. Doch Natalie wusste auch, dass dies keine Garantie war. Sie betreute zwar den Großteil der Bio-Produkte, die GreenPea als Eigenmarke entwickelte, doch im vergangenen Jahr hatte GreenPea einen kleineren Betrieb mit einem ehrgeizigen Vertriebschef aufgekauft, der bereits mit dem amerikanischen Unternehmen WholeFoods zusammenarbeitete. Und nach allem, was Natalie von Andrea gehört hatte, beabsichtigte Jason, nicht mehr lange nur eine untergeordnete Rolle zu spielen.
Nachdem das Make-up aufgefrischt war, wandte sich Natalie der vierten Multitasking-Aufgabe zu und kontrollierte die Kabinen. Als sie sicher war, allein zu sein, schlüpfte sie in die hinterste Kabine und kramte in ihrer Tasche nach einem Ovulationstest.
Der Wunsch, schwanger zu werden, verstieß angesichts der gesteigerten Aufmerksamkeit gegenüber allen Körperfunktionen gegen jegliche viktorianische Sittsamkeit. In letzter Zeit verbrachte sie bedeutend mehr Zeit damit, über ihre verschiedenen Körperflüssigkeiten nachzudenken, als es jeder vernünftige Mensch tun sollte. Natalie riss die Plastikverpackung auf, zielte auf die weiße Testfläche und fragte sich ernsthaft, an welchem Punkt des Fruchtbarkeitshindernislaufs sie den letzten Rest ihrer Würde verloren hatte.
Sie verschloss den Test, lehnte sich zurück und wartete darauf, dass in dem winzigen Sichtfenster zwei Linien auftauchten. Eigentlich brauchte Natalie diesen Fruchtbarkeitstest gar nicht – durch ihr obsessives Temperaturmessen wusste sie ohnehin schon, wann der »Eiersprung«, wie Johnny es grinsend nannte, bevorstand, doch insgeheim mochte sie es ganz gern, dabei zuzusehen, wie sich die zwei Streifen bildeten. Anders als bei einem Schwangerschaftstest wurden bei einem Ovulationstest immer zwei Streifen sichtbar. Bei einem Schwangerschaftstest hatte Natalie es nämlich bislang noch nie erlebt, dass dort wie von Zauberhand zwei Streifen aufgetaucht waren.
Na ja,
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