Herzensbrecher auf vier Pfoten
Anzug schmiegte.
An einen sehr attraktiven Mann.
Überrascht hob Rachel die Augenbrauen. War das wirklich Dot? Diese Frau war eine Wucht. Ihre exotischen, dunklen Züge passten hervorragend zu dem dramatischen Stil der Sechzigerjahre; sie besaß ein bemerkenswertes Aussehen und war durchaus mit den britischen Stars der Sechzigerjahre – wie zum Beispiel der Schauspielerin Eleanor Bron oder der Sängerin Alma Cogan – zu vergleichen. Dot hatte sich offenbar nicht gescheut, ihre kühnen Gesichtszüge mit falschen Wimpern noch zu betonen und das pechschwarze Haar zu einer ausgeklügelten Hochsteckfrisur aufzutürmen.
Auch der Mann sah ziemlich sexy aus: Er hatte volle Lippen, schönes Haar und ein Mick-Jagger-ähnliches Funkeln in den Augen. Mit stolzer Miene betrachtete er Dot – zu Recht,wie Rachel fand. Er sah aus, als hätte Dot gerade einen besonders lustigen Witz gemacht.
»Wer ist dieser Mann, dessen Foto auf Dots Frisierkommode steht, Mum?«, fragte Rachel. »Ich dachte, Dot hätte nie einen Freund gehabt?«
»Wie kommst du bloß auf diese Idee?«, wich Val der Frage aus.
»Durch dich?« Der Rahmen war sehr schwer und aus echtem Silber, wie ein entsprechender Stempel auf der Rückseite erkennen ließ. Der Mann auf dem Bild musste ein sehr besonderer Mensch gewesen sein, dem Rahmen und dem Platz nach zu urteilen, wo sich das Bild befand.
»Nun … Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich so etwas nie gesagt habe.«
Rachel verspürte ein Prickeln am ganzen Körper, als sie Dots verschleierten Blick betrachtete, der ihrem eigenen sehr ähnelte. Und plötzlich fiel der Groschen. Dot war die Frau auf der Kreidezeichnung im Gästezimmer! Rachel hatte sie nicht wiedererkannt, da sie sich nur an ein einziges Foto erinnern konnte, das von Amelias Taufe stammte und auf dem eine jüngere Dot zu sehen war. In ihrem orangeroten Hosenanzug, den Rachels Mutter sogar heute noch als eine persönliche Beleidigung empfand, hatte Dot wie das vierte Mitglied der Supremes ausgesehen.
In den Fotoalben ihrer Mutter tauchte Dot auf Kinderfotos mit Val auf, dann als schlaksiger Teenager, der sich auf die Universität vorbereitete, und dann folgte lange Zeit nichts mehr. Erst bei ein paar Hochzeiten und Beerdigungen tauchte sie wieder im Hintergrund auf, weißhaarig und mit sichtlich unbehaglicher Miene.
Diese Dorothy, die auf dem Foto auf der Frisierkommode abgebildet war, gab es in Vals Alben nicht – eine Dorothy, die offenbar nicht immer nur Tweed getragen hatte. Eine Dot, die ganz eindeutig von jemandem vergöttert worden war,der so attraktiv war, dass Oliver daneben beinahe einpacken konnte.
»O mein Gott, Mum!«, rief Rachel. »Warum hast du mir nie etwas davon erzählt?«
»Weil es nichts war, worüber wir gern gesprochen haben«, entgegnete Val. »Und ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich jetzt mit dir darüber sprechen möchte.«
Und das war genau die falsche Antwort.
»Du musst«, erwiderte Rachel fest entschlossen.
10
D ie Art, wie Val sich wand, ließ Rachel erahnen, dass hinter ihren häufigen Anrufen doch mehr stecken musste als einfach nur reines Interesse an Rachels Aufgabe, Dots Haushalt aufzulösen und alle Angelegenheiten zu klären.
Befürchtete sie etwa, dass ein wohlgehütetes Familiengeheimnis gelüftet werden könnte? Diese Frage weckte in Rachel eine brennende Neugier. Denn einzig und allein darum konnte es sich handeln.
»Komm schon, Mum!«, rief sie. »Das ist mir völlig neu! Bisher dachte ich immer, Dot habe von einem Rudel Hunde umgeben wie eine Nonne gelebt.«
»Ich habe nie behauptet, dass sie keinen Freund gehabt hat … Ich habe nur gesagt, dass sie zu wählerisch war, um sich für einen Mann zu entscheiden.«
»Na ja, dem Foto nach zu urteilen, hat sie aber doch sehr viel Spaß mit diesem Mann gehabt«, stellte Rachel fest und nahm das Foto genauer in Augenschein. »Wer ist er? Das Bild muss etwa, hmmm … Mitte der Sechzigerjahre entstanden sein. Wie es scheint, in einer Hotelbar.«
Am anderen Ende der Leitung war es einen Augenblick lang still. »Ich nehme an, dass es Felix sein muss«, erklärte Val schließlich. »Groß, lockiges Haar? Wirkt ein wenig wie ein Dandy?«
»Ja, ich denke schon. Wie es scheint, trägt er einen wahnsinnig teuren Anzug.«
»Hmmm. Felix Henderson war sein Name.« Wieder folgte ein Augenblick des Schweigens. »Er und Dot waren … Na ja, ich kann nicht wirklich behaupten zu wissen, was zwischen den beiden vorgefallen ist. Zunächst sah es
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