Herzensbrecher auf vier Pfoten
paar Freunden in der Stadt – wir feiern einen Geburtstag. Ich wäre also auf jeden Fall in der Nähe, wenn es einen Notfall geben sollte.«
Rachel konnte ihr diesen Wunsch wohl kaum abschlagen, zumal Megan an diesem Morgen schon die Zwinger gesäubert hatte und sie immer noch auf eine kleine Geldsumme von Dot wartete, die ihr nicht ausgezahlt werden konnte, solange Rachel nicht den Erbschein beantragt hatte. Was sie definitiv an diesem Morgen erledigen wollte. Definitiv!
»Natürlich! Kein Problem!«, erwiderte Rachel, während sie die Tagespost auf verdächtige Rechnungen überprüfte. »Ich komme klar, du wirst schon sehen!«
»Hervorragend! Hast du schon den Antrag für die Hundepension eingereicht?«
»Ja«, flunkerte Rachel. Auch das würde sie spätestens am Nachmittag erledigen, ermahnte sie sich. Der heutige Tag würde sehr produktiv und arbeitsreich werden.
Sie nahm sich einen weiteren Toast von dem großen Stapel vor ihr – die Zeiten ihrer Brotabstinenz waren absolut vorbei – und schlug Dots Auktionskatalog von Christie’s auf; offenbar hatte Dot diesen regelmäßig bezogen.
»Megan, könntest du mir bitte die Marmelade reichen?«, bat sie.
» Hast du den Antrag für die Hundepension eingereicht?«
Rachel schaute von den Hochglanzseiten des Kunstkatalogs auf und sah, wie Megan den klebrigen Marmeladentopf vom Longhamptoner Wohltätigkeitsverein der Frauen absichtlich zurückhielt, knapp außerhalb von Rachels Reichweite.
»Versuchst du gerade, mich zu erziehen?«, erkundigte sich Rachel empört. »Wie einen der Hunde?«
» Hast du den Antrag ausgefüllt?«, wiederholte Megan ihre Frage. »Die Stadtverwaltung drückt nämlich nur für eine gewisse Zeit ein Auge zu; bald werden sie aber ganz schön Ärger machen, wenn wir hier zwar Hunde auf dem Gelände haben, aber keine Genehmigung dafür vorweisen können.« Sie wackelte mit dem Marmeladenglas. »Es kostet dich zwei Minuten, den Antrag auszufüllen.«
Rachel wollte ihre Gedanken lieber nicht in Worte fassen. Insgeheim hatte sie gehofft, Longhampton längst schon wieder hinter sich gelassen zu haben und in eine Welt zurückgekehrt zu sein, in der es keine weißen Haare und keinen Hundesabber gab, bis sich die Stadtverwaltung endlich bequemte, die neuen Besitzverhältnisse zu überprüfen. Bei diesem Gedanken beschlich sie jedoch das ungute Gefühl, dass es möglicherweise recht mühsam werden würde, einen neuen Job zu finden, nachdem sich Oliver überall in der PR-Branche über ihr ungehöriges Verhalten ausgelassen hatte. Als wenn diese Aussicht allein nicht schon schlimm genug wäre, sorgte derzeit zudem die Wirtschaftskrise dafür, dass eine PR-Agentur nach der anderen schließen musste.
Megan warf ihr einen eindringlichen Blick zu. »Das muss ja nicht automatisch heißen, dass du dann für alle Ewigkeiten hierbleiben musst . Es bedeutet nur, dass wir so lange ein Unternehmen betreiben können, bis du dich endgültig entschieden hast.«
Rachel gab auf. Welchen Sinn hatte es schon, Megan Widerstand zu leisten? Selbst nach so kurzer Zeit schien Megan sie bereits in- und auswendig zu kennen. Entweder hatte sich Megan Dots Begabung angeeignet, Gedanken lesen zu können, oder Rachel war seit ihrer Flucht aus London einfach nur total leicht zu durchschauen.
»Ja, ja, ich werde den Antrag noch heute Morgen ausfüllen. Könnte ich jetzt bitte die Marmelade bekommen?«
»Braves Mädchen!« Megans Grinsen wurde breiter, als sie Rachel endlich das Glas reichte.
Die Hunde lauschten der Radio-Soap-Opera The Archers , als Rachel mit Megans Notizen in der Hand die Türen zum Zwingertrakt aufstieß.
»Guten Abend zusammen«, rief sie, zog die hochhackigen Schuhe aus und schlüpfte in die Gummistiefel, die neben der Tür bereitstanden. Mittlerweile begann sie automatisch, mit den Hunden zu reden, doch auf die Geruchsmischung aus Hundehaar, Kot und Desinfektionsmittel, die die Boxen umgab, reagierte sie immer noch empfindlich.
Gebell ertönte, jedoch nicht lang – nach der abendlichen Fütterung waren die Hunde ziemlich schläfrig und lagen zusammengerollt in ihren Körbchen, als konzentrierten sie sich voll und ganz auf den neuesten Tratsch rund um die Archers.
Gem kam leise an Rachels Seite geschlichen, als sie Megans Liste der Einfachheit halber an die Pinnwand heftete. Darauf befanden sich nur wenige Punkte:
Wassernäpfe nachsehen und auffüllen,
die Zwinger ausfegen (aber den Besen nicht bei den Staffordshire Bullterriern benutzen
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