Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
vertreiben. Die Art, wie Tanja ihn angesehen hatte, ein bedauerndes, beinahe mitleidiges Lächeln auf den Lippen. Sie waren seit drei Monaten liiert. Zwar hatten sie sich nicht allzu oft gesehen, da Tanja international tätig und deshalb ständig unterwegs war, trotzdem hatte Oliver ihrer Verbindung eine Chance gegeben.
Für ihn war es nicht einmal etwas Besonderes gewesen, sie zu fragen, ob sie ihren Sommerurlaub gemeinsam verbringen wollten. Er musste die ganze Zeit über blind gewesen sein, denn sie hatte ihm daraufhin mit sanfter Stimme, aber in aller Deutlichkeit erklärt, warum eine gemeinsame Reise für sie nicht infrage kam. Für sie war ihre Beziehung offenbar nur eine bedeutungslose Affäre gewesen. Er war lediglich einer von mehreren Männern, die sie über die Welt verteilt hatte, um sich an jedem ihrer regulären Arbeitsorte entsprechend vergnügen zu können.
Oliver war ihre Deutschlandaffäre gewesen. Nicht mehr und nicht weniger.
»Oh«, sagte Jennifer leise. »Das tut mir leid.«
»Ich werde darüber hinwegkommen«, erwiderte er lapidar.
Zwar hatte er bisher selbst keine ernsten Absichten gehabt, er hatte sich aber durchaus vorstellen können, eine festere Bindung mit Tanja einzugehen. Erst jetzt, nachdem es vorbei war, merkte er, dass er drauf und dran gewesen war, sich zu verlieben. Er hatte Gefühle für sie entwickelt, und das unerwartete und plötzliche Ende tat weh.
Jennifer spürte seine bedrückte Stimmung. Den Rest der Fahrt legten sie schweigend zurück.
Es war fast Mittag, als sie die Echtermann-Kliniken erreichten. Jennifer fuhr in die Tiefgarage und zur hinteren Ausfahrt, wo sie klingeln und ihren Ausweis vorzeigen musste, um die Schranke passieren zu dürfen. Hinter den Klinikgebäuden lag ein Parkplatz, der eigentlich nur für die Mitarbeiter reserviert war, von dem aus man aber direkt in die im Erdgeschoss eingerichtete Rechtsmedizin gelangte. Im angrenzenden Park lag noch immer Schnee. Schneeglöckchen hatten an vielen Stellen die weiße Decke durchbrochen, und einige blühten sogar bereits.
Am Empfangstresen des Rechtsmedizinischen Instituts saß eine junge Krankenschwester, die Jennifer und Grohmann nicht kannten. Offenbar gehörte sie einer anderen Abteilung an. Sie stand auf, als sie hereinkamen. Aus irgendeinem Grund schien ihr die ungewohnte Aufgabe unangenehm zu sein, denn sie wirkte fahrig. »Kommissarin Leitner und Staatsanwalt Grohmann?« Sie kam um den Tresen herum. »Professor Meurer erwartet Sie bereits im Sektionssaal.«
Der Temperaturunterschied zu draußen war enorm. Während Oliver aus seinem Mantel schlüpfte, fragte er: »Ist der Ehemann des Opfers noch nicht eingetroffen?«
»Doch, schon. Aber der Professor sagte, ich solle Sie direkt zu ihm schicken, sobald Sie eintreffen. Er muss Ihnen irgendetwas Wichtiges zeigen, bevor Sie mit dem Ehemann sprechen.«
Die beiden Ermittler wechselten einen kurzen Blick und machten sich auf den Weg in den Sektionssaal.
Leander Meurer saß hinter seinem stählernen Schreibtisch. Als er aufblickte und seine Lippen sich nicht einmal zu einem kleinen Begrüßungslächeln kräuselten, wussten sie bereits, dass er auf etwas Unangenehmes gestoßen war.
»Da sind Sie ja endlich«, sagte er. »Der Ehemann wartet schon seit fünfzehn Minuten.«
Er bedeutete ihnen, ihm zu folgen, und trat durch eine Tür am Ende des Saals in einen winzigen, ebenfalls gefliesten Nebenraum mit greller Neonbeleuchtung. Die eine Längsseite des Raumes wurde von einem dunkelroten Vorhang dominiert, der die Glasscheibe zwischen diesem und dem angrenzenden Raum vollständig abschirmte. Hier wurden die Leichen aufgebahrt, um sie den Hinterbliebenen ohne direkten Kontakt präsentieren zu können, wenn die rechtsmedizinische Begutachtung und die Obduktion noch nicht abgeschlossen waren. Jenseits der Scheibe wartete in diesem Moment Sascha Schröder auf das Eintreffen der Ermittler.
Der Raum war gerade groß genug für die Bahre, auf der die Tote lag, bis zum Hals mit einem blütenweißen Tuch zugedeckt. Professor Meurer und sein Assistent hatten sie wie üblich vorbereitet, wozu in diesem Fall das Entkleiden, das Öffnen der Haare, die Entfernung des Make-ups und die Korrektur der Körperhaltung gehört hatten.
Zuvor hatten sie jede Spur gesichert, die sonst bei ihrer weiteren Arbeit zerstört worden wäre. Jennifer hatte die Beweismitteltüten und Behälter auf einem Beistelltisch im Sektionssaal gesehen. Die meisten würde Jarik Fröhlich nach der
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