Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Obduktion mitnehmen, um die gesicherten Beweise zu untersuchen.
Die Augen des Opfers standen nach wie vor offen, da die Leichenstarre noch nicht abgeklungen war. Die Tote war schön, auch wenn durch das Fehlen der Schminke ihre Haut jetzt fahl aussah und die Fältchen um Mund und Augen stärker hervortraten. Trotzdem sah sie der Frau auf den Fotos in den Verlobungs- und Hochzeitsanzeigen noch immer sehr ähnlich.
»Sobald die Leiche identifiziert ist, können wir sie rüberbringen und mit der Obduktion beginnen«, sagte Leander Meurer, als Jennifer und Grohmann sich hinter ihm in den Raum gequetscht hatten.
»Die Dame am Empfang sagte, sie müssten uns etwas zeigen«, warf Jennifer ein.
Der Professor hatte seine eigene Art, die Dinge anzugehen, und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ich habe natürlich bereits eine erste Sichtung vorgenommen. Im Moment teile ich Ihre Einschätzung, was das Erdrosseln angeht. Außer den Malen am Hals gibt es keine offensichtlichen Spuren von Gewalteinwirkung. Ebenfalls keine äußerlichen Hinweise auf ein Sexualverbrechen.«
Er schlug das Tuch zurück. »Das hier allerdings geschah post mortem.«
Jennifer und Grohmann blickten auf den entblößten Brustkorb der Frau hinunter. Über ihrem Brustbein befand sich eine große, kreuzförmige Verletzung. Die Schnitte waren sauber ausgeführt. Die Einstiche zu beiden Seiten der Wunde deuteten darauf hin, dass sie vernäht gewesen sein musste.
»Was zum Teufel?!«
»Ihr Herz fehlt«, sagte Leander Meurer.
»Ihr wurde das Herz entnommen?«, fragte der Staatsanwalt entsetzt.
Der Professor nickte, während er die Leiche wieder bis zum Hals zudeckte. »Ich war nach dem Röntgen so frei, die Nähte zu öffnen und eine erste oberflächliche Untersuchung vorzunehmen. Von einer fachgerechten Entnahme würde ich in diesem Fall nicht sprechen. Das Herz wurde entfernt. Den Verletzungen im Brustraum nach zu schließen, von einem Laien, der sich aber sehr geschickt angestellt hat. Kein Chirurg, kein Arzt, aber jemand, der wusste, was er tat.«
»Scheiße.« Jennifer war schockiert. Das verlieh dem Fall noch einmal ein ganz anderes Gewicht. Sie hatten es eindeutig mit einem Verrückten zu tun.
»Ich teile nicht Ihre unangemessene Art, sich auszudrücken, aber sinngemäß stimme ich Ihnen zu.« Leander Meurer ließ ihnen nur wenige Sekunden Zeit, um die Neuigkeit zu verdauen. »Ich denke, Sie sollten Herrn Schröder nicht länger warten lassen. Sie kennen den Weg.« Er warf sie förmlich aus dem kleinen Raum hinaus.
Schweigend legten sie den kurzen Weg durch den Sektionssaal und über den Flur zurück, der sie in den Raum auf der anderen Seite der Glasscheibe führte. Er war spärlich eingerichtet, mit fünf aufgereihten Stühlen, einem Wasserspender und einigen aktuellen Zeitschriften auf einem niedrigen Tisch. Die Jalousien vor dem Fenster zum Parkplatz hin waren wie immer beinahe vollständig heruntergelassen. An der Wand über den Stühlen hing ein schlichtes Bronzekreuz.
Sascha Schröder wirkte verloren. Er saß in einem teuren, perfekt sitzenden Anzug auf dem mittleren Stuhl. Sein Gesicht zeigte Spuren von Verzweiflung und Unsicherheit. Er hielt sich an seinem Kurzmantel fest, den er auf seinen Knien zusammengeknüllt hatte, während seine Rechte verkrampft um ein Smartphone geschlossen war.
Die Fahrt von Frankfurt nach Lemanshain hatte die zu erwartende Wirkung gezeigt. Die Art, wie er sein Handy hielt, sagte alles. Er wünschte sich inständig, dass es endlich klingelte und er die Stimme seiner Frau am anderen Ende hören würde.
Die Minuten des Wartens hatten ihn zusätzlich zermürbt. Er sprang sofort auf, als sie den Raum betraten. Er überragte den Staatsanwalt um gute zehn Zentimeter, wirkte aber trotzdem nicht besonders eindrucksvoll. Vielleicht lag es an dem Bauchansatz, über dem sich sein Hemd ein wenig spannte, oder an den kurzen, braunen Locken, die ihm trotz seiner dreiundvierzig Jahre etwas Jugendliches verliehen.
Freya hatte ihnen einen kurzen Überblick über die Person geben können, bevor sie aufgebrochen waren. Einen erfolgreichen Investmentbanker, der eine ziemlich risikobehaftete Abteilung leitete, hatte Jennifer sich irgendwie anders vorgestellt. Seine Verunsicherung, die ihm ins Gesicht geschrieben stand, mochte dazu ihren Teil beitragen.
Diesmal überließ sie Grohmann den Vortritt. Der Staatsanwalt begrüßte Sascha Schröder mit festem Händedruck, bevor er sich und die Kommissarin vorstellte. »Wir
Weitere Kostenlose Bücher