Herzensstürme - Roman
Brianna.«
»Aber nur ich kann es verhindern, Lady! Ich will nicht, dass Connor meinetwegen sein Erstgeburtsrecht aufgibt. Es führt nur zu Unglück und Unfrieden. Ich bin sicher, dass er es später bereuen wird.«
Ein Anflug von Heiterkeit erschien auf Cajas Gesicht,
und auch die Wärme, die ihre Augen ausstrahlen konnten, kehrte zurück.
»Beruhige dich, Mädchen«, sagte sie. »Es führt zu nichts, wenn eine Frau sich in einen Männerstreit einmischt. Lerne, ruhig abzuwarten und im rechten Augenblick das Rechte zu tun.«
»Aber wenn ich jetzt nichts unternehme, wird es zu spät sein …«, rief Brianna aufgeregt.
Abwarten! Nicht einmischen! Sah so das Leben der adeligen Frauen aus? Ja, sie hatte es schon oft beobachtet. Jede Bäuerin hatte auf ihrem Hof mehr zu sagen als eine adelige Frau in ihrer Burg. Doch Caja stand immer noch vor ihr auf der Treppe, sah lächelnd auf sie in ihrer Ungeduld herab und schien nicht bereit, zur Seite zu weichen. Stattdessen stieg sie jetzt entschlossen zu ihr hinunter.
»Lass uns in die Halle gehen, Brianna. Ich möchte ein wenig mit dir plaudern.«
»Aber ich …«
Caja setzte ihren Weg ruhig fort und duldete keinen Widerspruch, Brianna hätte sich gewaltsam an ihr vorbeischieben müssen, um in den zweiten Stock zu gelangen. Das jedoch wäre eine harte Beleidigung gewesen, also gab sie nach, wandte sich um und ging die wenigen Stufen zurück, bis sie den Eingang zur Halle erreichte.
Der Raum, der noch am Abend zuvor voller lärmender Menschen gewesen war, schien jetzt im Dämmerschlaf zu liegen. Die Tafel war aufgehoben, Bretter und Böcke standen wohlverstaut an der Seite, eine Magd kehrte den Boden, eine andere trug Eimer mit frischem, geschnittenem Stroh herbei, um die Dielen damit zu bestreuen. Einige der hohen Fenster hatten Einsätze aus kleinen, bräunlichen Gläsern, die in Blei
gefasst aneinandergefügt waren - eine Kostbarkeit, die man nur in Burgen oder reichen Häusern fand. Das Glas schützte vor Wind und Regen und ließ doch Licht in den Raum, wenn auch ein mattes, sehr sanftes Licht.
Caja bedeutete den Mägden, die Arbeit zu unterbrechen und die Halle zu verlassen, dann ließ sie sich auf einem der beiden geschnitzten Stühle nieder, auf denen sie und ihr Mann auch gestern an der Tafel gesessen hatten. Es waren hohe Stühle mit breiten schön gearbeiteten Arm- und Rückenlehnen, sie waren nur für den Burgherrn und seine Gemahlin bestimmt, denn sie glichen einem Herrscherthron.
»Nimm dir einen Schemel.«
Ungeduldig schob Brianna sich einen der Hocker heran, die längs der Fensterseite aufgereiht standen - es sah so aus, als ob Caja eine ausgedehnte Plauderstunde mit ihr führen wollte. Immerhin durfte sie neben ihr Platz nehmen - Caja hätte sie auch vor sich stehen lassen können, wie es eine Burgherrin mit einer Bardin gewöhnlich tat.
»Eine Mutter liebt alle ihre Kinder mit gleicher Zärtlichkeit«, begann Caja in leichtem, ein wenig nachdenklichem Ton.« Doch ein Vater ist anders. Er hat Vorlieben, wendet sich dem einen zu, vernachlässigt den anderen, will vielleicht sogar nichts von ihm wissen.«
Brianna, die nur der Höflichkeit halber zugehört hatte, spürte bei dem letzten Satz einen Stich in der Brust. Was Caja da redete, war nur zu wahr. Auch ihr eigener Vater hatte nichts von ihr wissen wollen, denn er hatte weder sie noch ihre Mutter beschützt. Hatte er sie damals auch fortgeschickt? Warum sonst wäre die Mutter mit ihr durch das Land gezogen, hatte
betteln und für Geld singen müssen, um nicht zu verhungern …
»Malcolm hat Connor immer mehr geliebt als Gordon«, fuhr Caja fort. »Gewiss nicht nur, weil er der Ältere ist. Connor ist mutig und geschickt, alles was er anfasste, glückte ihm, er ist offen und ehrlich, es ist kein Falsch an ihm.«
Und Gordon, dachte Brianna. Welche Eigenschaften würde Caja ihrem zweiten Sohn zubilligen, da die besten schon an Connor vergeben waren?
»Gordon hatte es immer schwer, dem Vater zu gefallen«, sagte Caja mit leisem Kummer. »Er hat es immer wieder versucht, und er konnte in verzweifelten Zorn geraten, wenn er scheiterte. Doch seitdem er kein Knabe mehr ist, sondern ein Mann, hat er sich damit abgefunden, dass Malcolm seine Liebe vor allem Connor geschenkt hat.«
Wozu erzählt sie mir das eigentlich, überlegte Brianna. Soll ich Mitleid mit dem armen Gordon haben? Da hat sie Pech, er ist ein boshafter Geselle, dem man nicht über den Weg trauen sollte. Sie seufzte leise, denn während
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