Herzensstürme - Roman
Wie hatte sie auch hoffen können, er würde ihre Beweggründe verstehen? Er war ein Mann, ein Ritter, er war gewohnt, sich seinen Weg mit Lanze und Schwert zu erkämpfen und niemals zurückzuweichen.
Dennoch überraschte er sie, denn er beendete den Streit, zog das Reiterkleid über und hängte sich das Schwert an die Seite. Seine Augen waren schmal, und
sie blitzten Brianna zornig an, als er sich ihr wieder zuwandte - er war noch lange nicht bereit, sie so einfach aufzugeben.
»Du hast drei Tage Zeit! Am vierten Tag werde ich zur Burg von Gavin Macmorris reiten und um die Hand seiner Tochter anhalten. Falls du jedoch vorher noch anderen Sinnes werden solltest - du findest mich auf der Insel.«
Er nahm den Mantel um die Schultern und fasste einen der Sättel, die sie in einer Ecke des Raumes abgelegt hatten, um sie vor der Nässe zu schützen. Bevor er die Tür öffnete, hielt er inne und sah sie noch einmal an. Seine Stimme war jetzt sanft.
»Du weißt, welche Insel ich meine. Unsere Insel, Brianna. Ich warte dort auf dich.«
Kapitel 28
Sie weinte erst, als sie die Hufschläge seines Pferdes nicht mehr hören konnte und nur das eintönige Geräusch des Regens blieb. Schluchzend hockte sie neben der Feuerstelle, kauerte sich eng zusammen und schlang die Arme um die angezogenen Knie. Sie hatte richtig gehandelt, es gab nichts, was sie sich hätte vorwerfen müssen, und doch war sie so unglücklich wie selten in ihrem Leben. Sie hatte ihn fortgeschickt, niemals wieder würde sie seine Stimme hören, sein sieghaftes Lachen, nie wieder den Blick seiner grauen Augen spüren, nie mehr in seinen Armen liegen. Sie hatte ihre größte und einzige Liebe, die sie je gehabt hatte, aus eigenem Willen zerstört. Was, wenn nun doch alles zum Schlechten ausging? Connor ritt jetzt zornig durch Regen und Finsternis, wenn er nun vom Weg abkam, sein Pferd stürzte oder er vielleicht gar seinen Feinden in die Hände fiel?
Es dauerte lange, bis der erste, brennende Schmerz herausgeweint war, und ihre Tränen langsam versiegten. Danach saß sie still, lauschte auf den rauschenden Regen und spürte, wie die Kälte durch ihre Glieder zog. Es war nicht nur die herbstfeuchte Nacht, es war auch die Einsamkeit, die sie frieren ließ, denn von nun an würde sie allein durchs Leben gehen, von Burg zu Burg ziehen und sich ihr Brot verdienen.
Ich habe es so gewollt, dachte sie trotzig. Ich brauche keinen Beschützer und schon gar keinen Ehemann. Ich schaffe es auch allein.
Sie machte sich daran, das niedergebrannte Feuer wieder zum Leben zu bringen, stocherte herum, fing die kleinen Fünkchen auf und nährte sie mit trockenen Halmen, damit sie wachsen und den Torf in Brand setzen konnten. Erst als schon der Morgen graute, nahm sie sich eines der Plaids von ihrem Lager, wickelte sich darin ein und legte sich neben dem ausbrennenden Feuer zur Ruhe.
Der Regen wollte auch in den folgenden Tagen und Nächten nicht aufhören. Sie kümmerte sich um die verbliebenen drei Pferde, führte sie auf eine Weide, wo sie noch ein wenig Gras fanden, verzog sich dann wieder fröstelnd in die Hütte, um neben der Feuerstelle vor sich hinzustarren. Jetzt würde er auf der Insel auf sie warten, hatte sich vielleicht in die alte Turmruine verzogen, lief immer wieder zum Ufer, bog das Gesträuch beiseite, um nach ihr auszuspähen. Gewiss waren die Büsche inzwischen kahl, Wind und Regen hatten das bunte Blattwerk abgerissen, doch die Kiefern und Fichten standen noch in dunklem Grün, beugten die krummen Stämme dem Wind entgegen, und von ihren Nadeln tropfte der Regen auf die zerbrochenen Steine herab.
Er würde umsonst warten.
Sie versuchte, ihren Kummer in ein Lied zu fassen, doch es gelang ihr nicht. Wie seltsam, bisher hatte ihre Fantasie noch niemals versagt, die Worte und Melodien waren so zahlreich in ihrem Kopf aufgetaucht, dass sie stets Sorge gehabt hatte, ob sie auch alle in ihrem Gedächtnis behalten konnte. Doch jetzt, da sie so unglücklich war, schien ihr Kopf leer, keine Weise, kein Wort konnten ausdrücken, was sie empfand.
Am fünften Tag sattelte sie eines der Pferde und belud
die Packpferde mit den Bündeln. Sie wollte nichts von all dem behalten, das Connor ihr so großmütig geschenkt hatte, denn sie hatte kein Recht auf diese Dinge. Sie würde alles zurückbringen und Glenworth Castle so verlassen, wie sie angekommen war, in einem Bauernkleid aus einfacher Wolle und auf ihrem treuen Klepper. Alles andere würde sie sich schon
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