Herzensstürme - Roman
seines Ärgers über Brianna hatte Besorgnis ihn erfasst, die er nur mühsam verbergen konnte.
»Sie … sie wird sich davongemacht haben«, flüsterte er unsicher.
»Ohne ihr Pferd? Ohne Abschied von mir zu nehmen?«
Gavin MacMorris war inzwischen ein Licht aufgegangen, und er nahm die Pastete wieder zur Hand.
»Ihr redet von der kleinen Bardin, die so wundervoll tanzen und singen kann«, nuschelte er mit vollem Mund. »Mein Gott, es wäre ein Jammer, wenn sie davon wäre, denn ich rechnete auf sie bei der festlichen Hochzeitstafel, vielleicht sogar bei der Trauung selbst. Aber sorgt euch nicht, Freunde, sie kann die
Burg gar nicht verlassen haben, denn das Tor ist noch geschlossen.«
»Das ist allerdings wahr«, sagte Kelvin unsicher, während Connor düster vor sich hinsah.
»Nun«, bemerkte Gavin lächelnd. »Sie ist eine Bardin und ungewöhnlich hübsch. Ich könnte mir gut vorstellen, dass einer meiner Getreuen in dieser Nacht das Paradies gesehen hat …«
»Schweig!«, brüllte ihn Connor wütend an. »Wage nie mehr, in meinem Beisein solche Verdächtigungen auszusprechen!«
Gavins Augen quollen hervor, denn er hatte Connor bisher immer als freundlichen Menschen erlebt. Doch er fasste sich schnell.
»Bist du verrückt geworden, wegen diesem Weib solch einen Aufstand zu machen?«, schimpfte er. »Ha - jetzt wird mir endlich klar, welch ein Spiel du treibst. Während wir hier deine Hochzeit vorbereiten, hast du dir deine Kebse in die Burg geholt und die Nächte mit ihr oben auf dem Turm verbracht!«
»Ich habe niemanden auf die Burg geholt und auch niemanden von hier vertrieben!«, gab Connor aufgebracht zurück. »Schon gar keine Kebse!«
»Und wo ist sie dann geblieben, die süße, blonde Spielfrau«, höhnte Gavin. »Hat der Erdboden sie verschluckt? Oder hat sie einen anderen Gespielen gefunden?«
»Was weiß ich?«, knurrte Connor mit mühsam unterdrückter Wut. »Geh sie doch suchen, wenn es dir so wichtig ist.«
»Das werde ich auch, Schwager. Und wenn ich sie finde, dann Gnade ihr, dieser Hure!«
Mit wehendem Gewand lief er durch den Raum, scheuchte die Knappen auf, die dem Streit mit weiten
Augen und offenen Mündern zugehört hatten, und schickte sie davon. Kurz darauf herrschte überall im Turm Aufregung, Mägde und Knechte wurden aus dem Morgenschlummer gerissen, Pagen schwirrten umher, die Getreuen des Burgherrn fuhren von ihrem Lager auf. Eine junge Magd kreischte, als man sie ohne Hemd neben einem Ritter fand, doch da sie nicht die Gesuchte war, warf man rasch wieder die Decke über das Paar.
Kelvin war die Turmtreppe hinabgelaufen, erschrocken über das, was er angerichtet hatte. Connor folgte ihm, fasste ihn am Arm, um ihm Vorhaltungen zu machen, dann jedoch gab er seine Absicht auf und ließ ihn ziehen. Nicht Kelvin - er selbst war selbst Schuld an diesem albernen Missverständnis. Er hätte sich gern selbst in den Allerwertesten getreten - weshalb hatte er sich nicht beherrschen können und hatte damit diesen überflüssigen Streit hervorgerufen? Es konnte ihm schließlich gleich sein, wo und mit wem Brianna ihre Nächte verbrachte. Aber es war ihm nicht gleich - im Gegenteil. Er hätte sie vor Eifersucht schütteln und verprügeln können, diese boshafte Person.
Am Turmeingang prallte ein übereifriger Page gegen ihn, und er konnte das Bürschlein gerade noch festhalten, damit er nicht rücklings gegen die Mauer prallte.
»Kannst du nicht aufpassen?«, knurrte er ihn an.
»Vergebt mir, Herr«, jammerte der Kleine. »Ich wollte … ich sollte …«
Doch Connor hörte gar nicht mehr zu, denn sein Blick war auf einen heruntergekommenen Karren gefallen, der dicht vor dem Treppenaufgang abgestellt worden war. Das Morgenlicht war noch grau, so dass er das Gefährt nur undeutlich erkennen konnte, doch
als er nun rasch die Stufen in den Hof hinablief, war er ganz sicher. Diesen Karren sah er nicht zum ersten Mal, und er wusste auch, wer sein Eigentümer war.
Hastig riss er die Plane auseinander und sah hinein, doch dort lag nur allerlei Zeug, schmutzige Bündel, ein halb gefüllter Lederschlauch, Trommeln, Schellen und eine schadhafte Drehleier. Und doch war er sicher, dass der Barde Logan hinter Briannas Verschwinden steckte.
»Kelvin! Wo bist du denn? Kelvin!«
Einige der Schausteller, die in ihren Wagen genächtigt hatten, streckten die Köpfe heraus, zogen sie aber rasch wieder ein, als sie den Ritter erblickten.
Kelvin näherte sich voller Misstrauen, befremdet glotzte er
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