Herzensstürme - Roman
ihm, auf jeden Fall mit Atem zu sparen und einfach nur die Finger zu bewegen. Dann gab sie ihm zwei kurze Stöcke, die sie unterwegs aufgelesen hatte, und empfahl ihm, damit den Takt zu schlagen.
»Sie werden sowieso fast nur auf mich schauen, wenn ich für sie singe und tanze«, sprach sie ihm Mut zu.
Auch das behagte ihm nicht. Sie sah, wie seine Augen für einen kleinen Augenblick eng wurden, dann nörgelte er an ihrem Gewand herum, verlangte, dass sie es nicht so knapp um die Brust schnürte, und die Spange, die den Ausschnitt des Unterkleides zusammenhielt, sollte sie weiter nach oben stecken. Als sie ihn auslachte und dann den langen Zopf löste, um ihr dichtes blondes Haar zu kämmen, wandte er sich schweigend ab und griff wieder zur Flöte. Dieses Mal blies er mit Ausdauer und brachte erstaunliche Weisen zustande, die geeignet gewesen wären, ganze Völker von Moorhühnern in helle Aufregung zu versetzen.
Als kurze Zeit später ein Page erschien, um sie hinunter in die Halle zu führen, ahnte Brianna, dass sie dort nichts Gutes erwartete. Sie hatte schon viele dieser fünf- bis sechsjährigen Bürschlein gesehen, es waren fröhliche, kleine Lausbuben, die im Dienst der Burgherrin mit mütterlicher Strenge an die höfische Zucht herangeführt wurden. Dieser rothaarige Pausback jedoch blickte sie mit feindseligen Augen an, seine Schultern waren zusammengezogen, als erwarte er Prügel, und tatsächlich war an seiner Schläfe eine blutige Schramme zu sehen.
Während sie die steinerne Treppe zur Halle hinunterstiegen, hörte sie Angus leise Flüche vor sich hinmurmeln, und sie wollte sich schon umwenden, um ihn zur Vorsicht zu mahnen, doch kurz bevor sie das Ende der Treppe erreichten, schwieg er. Als sie jedoch in die Halle eintraten, musste auch Brianna sich heftig zusammennehmen, um ihr Unbehagen zu verbergen
und stattdessen ein frohes Lächeln zu zeigen, wie es einer Bardin zukam.
Dicht an dicht saßen die Herrschaften an der langen Tafel, nur wenige Frauen waren darunter, die meisten Plätze wurden von den englischen Rittern eingenommen, die die Getreuen des schottischen Burgherrn ans untere Ende des Tisches verwiesen hatten. Einzig der Burgherr und seine Frau saßen zwischen den vornehmsten der englischen Besatzer, doch es war deutlich, dass sie sich dort keineswegs wohlfühlten.
»Ah - da ist ja die bezaubernde Tänzerin«, rief der Anführer der Gewappneten. »Ich verstehe nicht, Sir Airdan, wieso Ihr mir diese Schönheit bisher vorenthalten habt.«
Der Angeredete sah nur kurz zu Brianna hinüber, und sie verspürte großes Mitleid mit diesem Mann, der auf seiner eigenen Burg fremden Herren gehorchen musste. Airdan MacLoyd musste einst ein guter Kämpfer gewesen sein, noch immer waren seine Schultern breit und die Arme sehnig. Doch sein Haar war grau geworden, die Gesichtshaut fahl und auf seinen Zügen lag der Ausdruck eines Mannes, der alle Hoffnung verloren hatte.
»Der alte Airdan wollte das hübsche Kind ganz für sich alleine haben«, hörte es Brianna am Ende des Tisches flüstern. Gelächter erhob sich, dem niemand Einhalt gebot, der Anführer der Gewappneten lachte sogar selber mit.
»Wir sind begierig, dich zu hören«, fuhr der Engländer fort. »Fangt an, ihr zwei. Wenn ihr eure Sache nur halb so gut macht wie vorhin auf dem Markt, werdet ihr reichen Lohn erhalten. Sir Thomas Norwich ist noch nie ein Knauser gewesen.«
Brianna gelang es, ihr Lächeln zu bewahren, doch ihre Abscheu vor diesem Mann und seinen Genossen war so groß, dass sie am liebsten sofort die Burg verlassen hätte. Sie verneigte sich und trat dann beiseite, um ihre Fiedel zu stimmen.
Angus war totenblass, so dass sie fast Angst um ihn bekam. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, welche Gewalt er sich antun musste, um nicht in heller Wut über diese hochnäsigen Burschen herzufallen. Stattdessen war er gezwungen, vor Thomas Norwich und seinen Genossen den ungeschickten Tölpel zu spielen - hoffentlich ging das gut!
»Schau dir das an«, murmelte er.
Sie hatte es längst gesehen. Die Wände der Halle waren mit kunstvoll gemalten Bildern verziert, die Szenen aus der Geschichte der adeligen Familie darstellten. Doch die Besatzer hatten sich den Spaß gemacht, ihre gefüllten Becher dagegen zu werfen, so dass hässliche Flecke entstanden waren, auch hatte man mit Spießen Löcher in den Putz gestoßen, vor allem dort, wo die Geschlechtsteile der gemalten Ritter und Damen unter ihren Gewändern zu vermuten
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