Herzensstürme - Roman
Das war ein Pferd.«
»Aber ohne Reiter.«
Der Zug hielt an, die vorne Reitenden hatten ihre Tiere gezügelt. Tatsächlich war ein reiterloses Pferd quer über den Weg gelaufen und gleich darauf wieder im Dunst untergetaucht.
»Eine jämmerliche Mähre.«
»Vielleicht die Kelphie?«
»Hatte das Biest vielleicht Flügel?«
Niemand hatte Lust zu lachen, dann hörte man die verängstigte Stimme eines Knappen.
»Das war das Pferd der Bardin. Ich habe es doch versorgt und kenne es.«
»Der Teufel soll dieses Weib holen!«, schrie Crow heiser in die Stille hinein. »Wieso läuft ihr Gaul hier im Moor herum? Stand er nicht im Burgstall?«
»Vielleicht war sie es selbst«, sagte der Knappe mit bebender Stimme. »Die schöne Bardin war die Kelphie und erscheint uns jetzt als Pferdewesen, um sich an uns zu rächen …«
»Gebt dem Burschen eine Maulschelle, damit sich sein Hirn wieder einrenkt!«
Angus spürte, dass der Moment gekommen war, denn alle sahen zu dem Knappen hin, der jetzt von seinem Herrn eine kräftige Ohrfeige erhielt. Angus stieß seiner Stute die Fersen in den Bauch, gab zugleich die Schenkelhilfen, doch das Tier war weit davon entfernt, mit einem raschen Sprung davonzuziehen. Stattdessen tat es nur einige Schritte, scheute dann, weil der Boden weicher wurde und blieb unschlüssig stehen.
»Passt auf den Gefangenen auf, ihr Rattenköpfe!«, brüllte Crow.
Seine Bewacher waren rasch, zwar sanken die Vorderbeine ihrer Pferde in den moorigen Boden ein, doch gelang es einem der Burschen, die Zügel von Angus’ Gaul zu fassen.
»Das hast du dir so gedacht, Schotte«, rief er hämisch und zerrte das Tier zurück auf den Fahrweg.
In diesem Augenblick schrie die Banschie. Nie zuvor hatte man solch einen entsetzlichen Ton gehört, nicht einmal die Posaunen des jüngsten Gerichts konnten fürchterlicher in den Ohren dröhnen, als dieser durchdringende, mörderische Klang. Er schien Pferden und Reitern das Mark aus den Knochen zu blasen, das Hirn aus dem Schädel zu reißen und nur einen einzigen Gedanken übrig zu lassen: Flucht!
Ein unvorstellbares Getümmel entstand, Pferde bäumten sich auf, Reiter brüllten und fluchten, die Packpferde und Maultiere rissen als Erste aus, ein Knappe fiel in den Matsch, man hörte Mathew Crow in heller Verzweiflung Befehle hinausschreien, die keinerlei Sinn mehr hatten.
Angus Stute hatte einen wilden Sprung vollführt, dann brach sie los, galoppierte, als sei der Teufel hinter ihr her, und ihr Reiter hatte Mühe, sich im Sattel zu halten. Er spürte, wie sich die Riemen seiner Bewacher in seinen Bauch einschnitten, beugte sich nach vorn, presste die Schenkel gegen den Pferdeleib und wusste nicht einmal, wie und weshalb er plötzlich frei war. Hinter ihm, neben ihm kämpften Reiter mit ihren scheuenden Tieren, jemand fiel dicht vor seiner Stute in den Sumpf. Angus’ Stute sprang über den Körper hinweg, der Boden schwankte, waberte, schwarze Wasserlachen taten sich auf, doch die Stute stürmte voran, und sie schien Flügel zu haben.
Als das Tier endlich zu Tode erschöpft in einen langsamen Schritt zurückfiel, hing Angus so schräg auf seinem Rücken, dass er jeden Augenblick fürchten musste, herabzurutschen und von seinem Pferd mitgeschleift zu werden. Der Sattelgurt hatte sich gelockert, und die Fesseln an den Füßen machten es ihm unmöglich, vom Pferd zu steigen.
Keuchend rückte er sich zurecht, lauschte in den Nebel hinaus, ob jemand ihn verfolgte, und grübelte darüber nach, wo die Banschie wohl jetzt ihr Unwesen trieb.
Der Ton war grauenvoll gewesen, und er dröhnte ihm noch jetzt in den Ohren. Ein Dudelsack war kein Musikinstrument- er war ohne Zweifel eine Kriegswaffe.
Kapitel 15
Brianna hatte die Arme schützend über den Kopf gelegt, zitternd kauerte sie am Boden, wünschte sich, zu einem braunen Baumstumpf zusammenzuschrumpfen oder wenigstens eine Tarnkappe zu haben. Es war schon schlimm genug gewesen, diesen elenden Dudelsack so fest an den Körper zu pressen, damit er so laut und so scheußlich wie möglich tönte und sie hatte geglaubt, von dem Lärm taub werden zu müssen. Doch dann war um sie herum die Hölle losgebrochen, reiterlose Pferde bäumten sich und bespritzten sie mit Moorwasser, Männer wälzten sich im Matsch, riefen um Hilfe, beschworen alle Heiligen, sie zu retten, einer schrie sogar nach der Banschie. Ein langohriges Vieh, vermutlich ein Maultier, preschte dicht an ihr vorüber und trat dabei auf den Dudelsack, der neben
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