Herzensstürme - Roman
sich so rasch wie möglich davonmachen sollte, doch jetzt hatte der Fuhrmann ihn bei den Schultern gefasst, stieß ihn mit dem Rücken gegen den Baumstamm und Kelvins Hinterkopf schlug schmerzhaft gegen das harte Holz. Die Umgebung schwankte vor seinen Augen, verzerrte Mäuler in roten Gesichtern, erhobene Fäuste, ein Messer blinkte in der Hand des Fuhrmannes …
Nur undeutlich nahm er einen hochgewachsenen Kerl wahr, der das Plaid über den Kopf gelegt hatte, so dass man nur Bart und Augen sah. Einen Augenblick
lang musste er an Connor denken, doch sein Freund war tot oder gefangen. Dennoch fasste der Unbekannte den Fuhrmann beim Genick, schüttelte ihn wie einen Hasen und stieß ihn zwischen die jungen Burschen, die eifrig aufeinander eindroschen.
»Was stehst du da?«, fuhr der Fremde ihn mit Connors Stimme an. »Steig auf deinen Gaul und dann nichts wie weg hier.«
Er warf zwei angriffslustige Kerle mit machtvollen Schlägen beiseite, so dass sie taumelten und ins Heidekraut fielen, dann fühlte Kelvin sich am Arm ergriffen und er lief taumelnd hinter dem Fremden her, unsicher, ob er nicht gar schon unter Wahnvorstellungen litt und die Toten reden hörte.
Sie entkamen ohne Schwierigkeiten, denn jemand hatte die Pferde des Händlers losgeschnitten und die erschrockenen Tiere liefen zwischen den Ständen umher, bäumten sich auf, warfen Tuche, Geschirr und Gemüse durcheinander und man hatte große Mühe, sie wieder einzufangen. Auch waren viele Leute eifrig beschäftigt, die Silberpennys aufzusammeln, mit denen der Kampfplatz übersät war, denn der Beutel des Bauern hatte sich im Gewühl geöffnet.
Kapitel 17
»Was prügelst du dich auf dem Markt herum?«, sagte Angus mit vorwurfsvollem Grinsen. »Kann man dich nicht mal ein paar Tage allein lassen, ohne dass du Unsinn anstellst?«
Kelvin war zu keiner Antwort fähig. Sein Nacken schmerzte, vor den Augen tanzten bunte Lichter - aber das alles war unwichtig, denn neben ihm ritten sein Freund Connor und die kleine Bardin, beide wie Schotten gekleidet und bei bester Gesundheit.
Man hatte Musselburgh in westlicher Richtung verlassen und ritt nun durch dichte Eichenwälder gen Norden. Die Gegend war einsam, nur einmal tauchte ein Meiler auf, doch der Köhler war nirgendwo zu sehen. Dennoch mussten sie vor ihren Verfolgern auf der Hut sein, vor allem morgen, wenn sie das Gebirge erreichten, denn dort, auf den schmalen Bergpfaden, gab es kaum Möglichkeiten, sich zu verbergen.
»Ich … ich hielt euch beide für tot«, ließ sich Kelvin jetzt endlich vernehmen. »Diese dreckigen Verräter haben davon geschwatzt, dass Brianna im Burggraben ertrunken sei und du, Connor, auf dem Weg nach London, um dort Bravehearts Schicksal zu erleiden.«
Angus warf den Kopf zurück und lachte fröhlich.
»Noch ist es nicht so weit, Kelvin.«
»Ich wünschte, ich hätte diesen üblen Gesellen das Genick gebrochen«, knurrte Kelvin und rieb sich gleichgültig die schmerzende Stelle in seinem Nacken.
»Auf jeden Fall hast du sie böse zugerichtet«, bemerkte Angus grinsend. »Das war leichtsinnig von dir.«
»Ich? Leichtsinnig?«, rief Kelvin empört. »Das musst gerade du mir erzählen! Ich wüsste gern einmal, wie Sir Connor MacDean dieses Mal den Kopf aus der Schlinge gezogen hat. Du musst wirklich einen guten Schutzgeist in deiner Nähe haben, mein Freund, sonst wäre es längst aus mit dir.«
»Den habe ich allerdings«, sagte Angus, und er sah lächelnd zu Brianna hinüber.
Kelvin hatten den Blick aufgefangen und obgleich ihm der Schädel noch brummte, begriff er seine Bedeutung. Selten hatte er seinen Freund Connor in solch glücklicher Stimmung erlebt, er war voller Lebensfreude, zu Scherzen aufgelegt, und die ernste Lage, in der sie sich alle befanden, schien ihn nicht im Mindesten zu kümmern. Auch hatte er sein Schwert, das Kelvin getreulich für ihn aufbewahrt hatte, wieder an den Gürtel gehängt, und Kelvin hegte die Vermutung, dass sein Freund nicht nur Schottland damit verteidigen wollte, sondern dass er auch vorhatte, seine hübsche Gefährtin ritterlich zu beschützen.
»So ist das also«, bemerkte Kelvin.
Weiter sagte er nichts. Sein Freund war verliebt und er gönnte ihm dieses Glück. Connor hatte als junger Bursche so manche Liebelei gehabt, er hatte etwas an sich, das die Frauen mochten. Er hatte seine Chancen genutzt, sich die Hörner abgestoßen, wie man so sagt, doch niemals hatte er ein Mädchen schlecht behandelt. Nun hatte ihn also die
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