Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Titel: Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
Vom Netzwerk:
entdeckte er zwei Scharniere mit eingebauter Feder, die an der Oberkante angebracht waren, sodass das leichte Brett wieder zuklappte, wenn man es losließ. Ein getarnter Eingang – und ein Schlupfloch für einen schnellen Rückzug.
    Spöttisch verzog Dagan den Mund. Rührend. Offenbar hatte sich jemand große Mühe gegeben. Und er wusste, wer dieser Jemand war. Den größten Teil der letzten beiden Tage hatte er damit verbracht, ihn zu beobachten. Joe Marin, Mörder aus Gewohnheit, ein Mann, der in den Zeitungen als Ungeheuer beschrieben werden würde. Für Dagans Vater Sutekh war Joe eine erlesene Delikatesse.
    Dagan klappte die Spanplatte vor dem Fenster hoch, stieg ins Haus ein, indem er vorsichtig den Glasscherben auswich, die spitz und scharfkantig aus dem Rahmen ragten, und ließ die Platte hinter sich zufallen. Das Geräusch hallte durch das ansonsten stille Haus. Im Dunkeln erkannte Dagan diversen Unrat, leere Flaschen, alte Pizzakartons und einen altertümlichen Schaukelstuhl, der in die Zimmerecke geschoben worden war.
    Als er den Raum durchquerte, verriet ihm ein leises Rascheln und Scharren, dass er nicht allein war. Und tatsächlich sah er im nächsten Augenblick eine Ratte über den Boden huschen.
    Plötzlich vibrierte Dagans Handy. Instinktiv ging sein Griff zur Hosentasche, während er mit der anderen Hand den Lolli aus dem Mund nahm. Doch schon im nächsten Moment hielt er inne, betrachtete einige Sekunden interessiert den Lolli in seiner Hand und verzog den Mund zu einem grimmigen Lächeln. Er brauchte nicht nachzusehen, wer anrief. Er spürte es an der telephatischen Spannung, die sich seiner unwillkürlich bemächtigte. Sutekhs Arm reichte weit. Aber die Zeiten, in denen sich Dagan davon hatte beeindrucken lassen, waren längst vorbei. Er ließ sich von seinem Vater schon lange nicht mehr alles vorschreiben. Der Alte konnte auch jetzt warten.
    Wieder vergingen nur wenige Augenblicke, und Dagan hörte das Quietschen der Scharniere vom Fenster, durch das er gekommen war. Die Platte wurde hochgehoben. Dannhörte er einen dumpfen Aufprall, als würde jemand aus einem Meter Höhe auf den Boden springen. Gleich darauf fiel die Klappe am Fenster zu. Seufzend steckte Dagan den Lolli wieder in den Mund und zerkaute die Zuckermasse an dem Plastikstiel mit den Backenzähnen, bis nichts davon übrig war. Aber die Mühe, sich zu dem Neuankömmling umzudrehen, machte er sich nicht.
    „Was willst du, Alastor?“, fragte er. „Ich brauche kein Kindermädchen.“
    Vielleicht hätte er den Anruf seines Vaters doch annehmen sollen. Dann hätte er ihn davon abhalten können, seinen Bruder als Aufpasser hinterherzuschicken. Allerdings war Sutekhs Sorge nachvollziehbar. Er hatte bereits einen Sohn verloren. Danach hatte er verfügt, dass seine drei verbliebenen Söhne nur noch im Team arbeiteten oder für ihre Mission wenigstens einen Reaper an der Seite hatten, damit die Bastarde, die Lokan, Sutekhs Jüngsten, auf dem Gewissen hatten, nicht noch einem hinterrücks den Garaus machten. Sie sollten Rücken an Rücken stehen, denn bisher wusste niemand, wer diese Bastarde waren.
    „Deshalb bin ich nicht gekommen“, entgegnete Alastor. Dagan sah ihn scharf an. „Nein? Erzähl mir nicht solchen Scheiß.“
    „Auch wenn du dir noch so viel Mühe gibst, ich bin definitiv nicht in der Stimmung, mit dir zu streiten, Dae.“ Alastors britischer Akzent war nicht zu überhören. Es erinnerte Dagan daran, wie unterschiedlich sie aufgewachsen waren. Was zu Sutekhs Erziehungsstrategie gehört hatte. Er hatte die vier bewusst voneinander ferngehalten, um zu verhindern, dass sie sich verbündeten. Der Alte, wie Dagan ihn nur nannte, hatte sogar alles dafür getan, um Misstrauen zwischen ihnen zu säen und die Konkurrenz unter ihnen anzustacheln. Dennoch war der Plan nicht aufgegangen. Trotz der Entfernung, in der sie aufgewachsen waren, und all dieserMachenschaften – oder vielleicht gerade deswegen – waren die Brüder zu einer verschworenen Gemeinschaft geworden. Sehr zu Sutekhs Ärger.
    Die Brüder konnten sich zwar nicht in die Gedanken des anderen einschalten, wie Sutekh es in früheren Jahren bei ihnen vermocht hatte. Aber sie hatten ein sehr ausgeprägtes Gefühl dafür, wenn einer den anderen brauchte. Es war eine Art mentaler Notruf, der immer funktionierte. Und so hatte auch jeder der anderen drei es genau gespürt, als Lokan umgebracht worden war.
    In gewisser Weise war Dagan jetzt doch froh, dass Alastor

Weitere Kostenlose Bücher