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Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Titel: Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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von der Bildfläche verschwunden.
    Offiziell hatte es geheißen, die Betreffenden hätten der Gemeinde den Rücken gekehrt und wären aus der Stadt verschwunden. Aber so ein Ende der Zugehörigkeit war bei den Setnakhts nie üblich gewesen. Auch wenn es niemand wagte, seine Zweifel laut auszusprechen, glaubte niemand in der Gemeinde den Verlautbarungen.
    Pyotr Kusnetzov kannte die Wahrheit. Die drei hatten gegen die Regeln verstoßen. Als sie auf die Probe gestellt worden waren, hatten sie versagt. Ihr Glaube war schwach geworden. Doch wäre es nur das gewesen, hätte Kusnetzov sie vielleicht noch verschont und nur aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Was ihr Schicksal jedoch besiegelt hatte, war das Vorhaben der Dissidenten, gemeinsam eine neue Sekte zu gründen. Sie hatten eine Abspaltung bilden wollen, sich der Geheimnisse der Setnakhts bemächtigen und damit stehlen wollen, was sich die Gemeinschaft über so lange Zeit erarbeitet hatte. Das war gleichbedeutend mit Hochverrat und konnte selbstverständlich nicht geduldet werden.
    Kusnetzov hatte der Gemeinschaft sein ganzes Leben gewidmet und ihr mit Beharrlichkeit und Umsicht zu beachtlicher Bedeutung verholfen. In ganz jungen Jahren, er war das Musterexemplar eines rebellischen Jugendlichen gewesen, war er dazugestoßen. Abasi Abubakar war sein Mentor gewesen und hatte ihn unter seine Fittiche genommen. Pyotr war ein gelehriger Schüler gewesen und hatte sich schließlichso gut bewährt, dass Abasi ihm seine Vision vertrauensvoll übertragen hatte.
    Die Gründungsstunde, die mit der Opferung einer der Isistöchter begangen worden war, hatte Pyotr nicht miterlebt. Seit elf Jahren trug er aber schon das geheiligte Gewand des Oberpriesters und erfüllte eifrig das Vermächtnis, das sein Lehrer ihm hinterlassen hatte.
    Abasi Abubakar war für Pyotr mehr gewesen als Vater, Mutter, Geliebter und Freund zusammen. Abasi war der große Visionär gewesen, der sich ganz dem einen Ziel verschrieben hatte: dem Hunger, dem Krieg und dem Hass auf Erden ein Ende zu bereiten. Um das zu erreichen, hatte er sich vorgenommen, die mächtigste Gottheit der Unterwelt heraufzubeschwören. Denn, so seine Theorie, wer war geeigneter, das Chaos unter Kontrolle zu bringen, als der Herr des Chaos selbst? Diesem Ziel hatte Abasi sein Leben im wörtlichen Sinne geopfert. Er hatte selbst vor Sutekh treten wollen, um ihm sein Anliegen persönlich zu unterbreiten. Pyotrs Bewunderung für seinen Herrn und Meister war im Laufe der Jahre immer mehr gewachsen und hatte sich schließlich zu einer geradezu religiösen Verehrung verstiegen.
    Kein Wunder also. Es war einfach unduldbar, dass Abtrünnige ein Unternehmen gefährdeten, an dem mehr als fünfundzwanzig Jahre lang gearbeitet worden war. Es gab keinen Zweifel, dass Sutekh, wenn die Zeit gekommen war, seine Herrschaft antreten würde. Er, Pyotr Kusnetzov, war dazu bestimmt, Abasi Abubakars Werk zu vollenden. Und nicht zuletzt versprach er sich davon, in der Hierarchie der neuen Herrschaft, die Sutekh eines Tages antreten würde, als Dank für seinen aufopfernden Dienst an der Sache einen gebührenden Platz einzunehmen.
    Das Verfahren gegen die drei Abtrünnigen war kurz und in engstem Kreise abgewickelt worden. Zunächst hatten sie alles geleugnet, was Kusnetzov gegen sie vorgebracht hatte.Dann waren Rechtfertigungen gefolgt, schließlich das Winseln um Gnade. Pyotrs Dolch hatte die Affäre beendet. Alle drei waren über Jahre seine Freunde und Vertrauten gewesen. Einen kurzen Prozess von Angesicht zu Angesicht war er ihnen deshalb schuldig gewesen.
    Pyotr lächelte in die Runde. Ein wenig entspannten sich die besorgten Mienen auf sein freundliches Zwinkern hin, dennoch hielt die Anspannung an der Tafel an.
    „Wir werden ein Schaf opfern“, verkündete Pyotr. Das Aufatmen am Tisch war nicht zu hören, aber umso deutlicher zu spüren. „Das Tier wird fachgerecht und den Vorschriften entsprechend geschlachtet. Das Fleisch werden wir unter den Armen verteilen.“
    Eine Weile dauerte es, bis in der Runde die ersten Gespräche wieder aufgenommen wurden. Leise und mit vorsichtigen Blicken in Kusnetzovs Richtung zunächst, aber bald füllten wieder muntere Wortwechsel, Lachen und Scherzen den Raum im Konzert mit dem Klappern des Geschirrs und der Bestecke.
    Pyotr Kusnetzov hielt am Kopf der Tafel Hof. Auch er beteiligte sich angeregt an der Unterhaltung. Irgendwann fiel sein Blick dann wie zufällig, ohne dass jemand eine Absicht dahinter hätte

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