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Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Titel: Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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Totenschädel. Auch Dagans weißes T-Shirt war über und über besudelt.
    „Was ist denn los mit dir?“, fragte Alastor besorgt. „Du bist doch sonst nicht so schlampig.“
    „Meinst du?“, erwiderte Dagan tonlos.
    Alastor hatte recht. Für gewöhnlich hasste Dagan jede Art von Schmutz und Unordnung. Aber einen Moment lang hatte er sich hinreißen lassen. Und anstatt wie sonst kühl und routiniert zu Werke zu gehen, war es ihm nur ums Töten gegangen. Als hätte er mit dieser armseligen Kreatur eine Rechnung zu begleichen gehabt – ein Gefühlsausbruch, der ihm vollkommen fremd war, wenn er sonst seine Schwarzen Seelen sammelte.
    Widerwillig gestand er sich ein, dass das nur mit der Erinnerung an das Mädchen zu tun haben konnte, die wieder aufgetaucht war – die ihn genau genommen die ganzen Jahre, dieseitdem vergangen waren, nicht losgelassen hatte. Manches Mal hatte er von ihr geträumt – lebendig und in Technicolor. Zum Greifen nahe war sie gewesen. Er hatte ihre Stimme im Ohr und das Gefühl gehabt, ihr mit der Hand durch die dichten dunklen Locken fahren zu können. Aber das konnte nicht sein. Reaper träumten nicht. Träume waren etwas für Sterbliche.
    Er verstaute das Herz in der Ledertasche, die er wie gewohnt bei sich trug. Ein Blick hinüber zu Alastor verriet ihm, dass die Schusswunde seinem Bruder noch immer zu schaffen machte.
    „Ist die Kugel durchgegangen?“, fragte Dagan. Er packte Alastor bei der Schulter, drehte ihn um und sah sich seinen Rücken an. „Ah ja, hier. Sie ist glatt durchgeschlagen.“
    „Na, das ist ja wenigstens etwas“, konstatierte Alastor trocken.
    „Eben. Ich hätte auch keine Lust gehabt, mit dem Zeigefinger in dir herumzustochern, um diese verdammte Kugel zu suchen.“ Es wäre nicht die erste „Erste Hilfe“ dieser Art gewesen, die sie sich gegenseitig leisteten. „Du wirst es überleben.“
    Das wusste sein Bruder natürlich selbst. Auch wenn Alastors Brustbein und seine Lunge schweren Schaden genommen hatten, würde er zweifellos überleben. Seelensammler waren nicht sterblich, erst recht nicht, wenn sie den Bonus hatten, Sutekhs Söhne zu sein.
    Aber da kam Dagan wieder die beunruhigende Frage in den Sinn. Wie war es dann möglich gewesen, dass sein Bruder Lokan umgebracht worden war? Bestand also die Möglichkeit, dass Alastor, er und Malthus, der dritte der verbliebenen Söhne Sutekhs, auf dieselbe Weise umkommen konnten? Da niemand wusste, wie das Unglück mit Lokan geschehen war, war das ein unbequemer Gedanke, und Dagan ahnte, dass Alastor denselben hatte.
    Dagan hockte sich neben die Leiche, griff noch einmal in den offenen Brustkorb und wartete. Nach einer Weile kam Joes Schwarze Seele zum Vorschein. Sie fühlte sich so eisig kalt an, dass es auf der Haut brannte, als sie sich Dagan wie eine eklige schleimige Nacktschnecke um den Unterarm schlängelte. Dann ringelte sie sich wieder abwärts, löste sich von seinem Arm und ballte sich zu einer feuchten grauen Wolke, die wie ein wabernder Ballon knapp über Dagans Schulter schwebte. Er löste die Seele vollständig von ihrem Körper und schlang das Feuerband darum.
    Anschließend durchsuchte er Joes Taschen. Außer einer Handvoll Wechselgeld und einem Kaugummistreifen förderte er eine Brieftasche zutage. Dagan untersuchte den Inhalt: einige Kreditkarten, zwei Zwanzigdollarscheine, der Personalausweis und eine Karte mit einem Vordruck, wer im Falle eines Unfalls zu benachrichtigen sei. Dagan las darauf den mit Rotstift notierten Namen Frank Marin und steckte die Karte ein. Unter Umständen konnte es sich lohnen, das zu überprüfen. Vielleicht befand sich Joes Bruder Frank ja doch nicht in Übersee.
    Eine letzte Karte, die sich in der Brieftasche befand, erregte Dagans besondere Aufmerksamkeit. Sie war aus feinstem elfenbeinfarbenem Karton wie eine edel aufgemachte Visitenkarte, trug aber weder einen Namen noch ein Logo, sondern in dunkelrotem Prägedruck nur eine Adresse in der College Street in Toronto. Hinter dieser Karte steckte zusammengefaltet ein Parkschein, ebenfalls aus der College Street.
    Alastor blickte Dagan über die Schulter. „Der ist einen Tag bevor Lokan ermordet wurde gelöst worden.“
    Dagan nickte und reichte seinem Bruder die Brieftasche. „Das musst du dir auch einmal ansehen“, meinte Alastor und gab ihm im Tausch einen kleinen Stapel von Fotografien, die er aus der Sammlung in dem Karton herausgefischt hatte. Dagan blätterte die Bilder durch. Sie zeigten

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