Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
in Sutekhs Reich gelandet war, hatte der Herr des Chaos sie sicherlich schon höchstpersönlich ausgeforscht. Marin könnte allerdings auch anderswo in die Unterwelt eingegangen sein. Zu viel durfte Roxy also auch nicht verraten.
„Frank Marin ist in jener Nacht dabei gewesen, als die Setnakhts deinen Bruder geholt haben. Marin hat behauptet, er hätte den Mord zwar nicht mit eigenen Augen gesehen, wohl aber, wie sie deinen Bruder in den Tempel gebracht haben.“
„In welchen? Die Sekte hat überall auf der Welt ihre Tempel.“
Roxy zögerte kurz. Sie musste darauf achten, was sie preisgab.
Die Arme vor der Brust verschränkt, stand Dagan vor ihr und sah ihr aufmerksam ins Gesicht.
Die eine Antwort konnte sie ihm vielleicht noch geben. „Toronto.“
Seine einzige Reaktion darauf war ein Brummen. Eine Weile schwiegen sie. Das Thema war offenbart vorerst abgehakt.
Roxy nutzte die Gelegenheit, um abzulenken. „Ich muss unter die Dusche“, erklärte sie.
Sie hielt sich immer noch das Laken vor den nackten Körper, richtete sich auf und schwang die Beine aus dem Bett. Als sie auf der Bettkante saß, hielt sie einen Moment inne, um sich zu orientieren. Sie erwartete ein Schwindelgefühl, aber es kam nicht. Ihr Blick fiel in den Spiegel über der Frisierkommode. Darin sah sie die verspiegelte Tür ihres großen Kleiderschranks, in der sie sich von hinten betrachten konnte. Ihre Schultern und der Rücken waren nackt. Die cremefarbene Bettwäsche bildete einen schönen Kontrast zu ihrer dunklen Haut. Ihr Haar stand wild zerzaust in alle Himmelsrichtungen ab.
Im Kommodenspiegel sah sie Dagan hinter sich stehen, die muskulösen Arme vor der breiten Brust gekreuzt. Er betrachtete sie, und sein Gesichtsausdruck verriet leidenschaftliches Verlangen. In diesem Moment hob er den Kopf, und ihre Blicke trafen sich im Spiegel. Unwillkürlich hielt Roxy den Atem an. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Herz für ein, zwei Schläge aussetzte.
Dagan wandte den Blick ab, sodass sie ungestört aufstehen konnte. Schnell raffte sie das Laken, um auch ihre Kehrseite zu bedecken. Obwohl Dagan sich nicht von der Stelle gerührt hatte, meinte sie vorsorglich: „Es geht schon. Du brauchst mir nicht zu helfen.“
„Ich weiß.“
Sie lachte kurz auf.
„Was ist so lustig?“
„Du.“ Da sie sein Stirnrunzeln sah, fügte sie schnell hinzu: „Ich habe gerade überlegt, ob Reaper ein Helfersyndrom haben können.“
Aufmerksam betrachtete er ihren Rücken, sein Blick ging zum Ansatz ihrer Pobacken, den das Laken nicht verhüllte. „Helfersyndrom“, wiederholte er nachdenklich. „Und? Soll ich dir beim Waschen helfen?“
„Das möchtest du wohl gern“, sagte sie über die Schulter, während sie bereits Richtung Bad ging.
„Es würde mir schon genügen, wenn du duschst …“ „Danke. Sehr charmant.“ Aber zutreffend. Roxy duftete tatsächlich nicht gerade nach Rosen.
Sie schlang die Decke enger um sich und wollte im Badezimmer verschwinden, als Dagan plötzlich sagte: „Du hast mich nicht ausreden lassen.“
Stirnrunzelnd drehte sie sich halb um. „Dann rede!“ Sie hatte ihm seine Bemerkung nicht weiter übel genommen. Konnte sie ihm überhaupt etwas übel nehmen? Er hatte sich drei Tage und Nächte lang von einem Reaper in eine Florence Nightingale verwandelt. Und er hatte sie dieses Mal nicht allein gelassen.
„Ich wollte sagen: Es würde mir schon genügen, wenn du duschst … und ich dir dabei zusehen kann.“ Er ging ums Bett herum und trat auf sie zu.
Ihr Herz klopfte heftig, als er dicht vor ihr stand. Wer weiß, ob es mir genügen würde, dachte sie. Sie hätte ihn viel lieber bei sich unter der Dusche gehabt und seine Hände auf der nassen, vom Duschgel glitschigen Haut gespürt. Trotzdem fasste Roxy das Laken fester und entgegnete mit großer Entschiedenheit: „Kommt nicht infrage.“
Lächelnd zupfte er am Laken. Seine grauen Augen funkelten. Es war nicht mehr der kalte Glanz, den sie sonst darin gesehen hatte. Es war Feuer, brennendes Eis. „Überleg es dir noch mal“, raunte er.
Roxy wollte weg. Die Badezimmertür stand schon offen, aber er hielt das Laken fest. Es gab nur zwei Möglichkeit. Entweder blieb sie stehen, oder sie ließ das Laken fallen und spurtete ins Badezimmer – in der Hoffnung, es vor ihm zu erreichen. Sie spürte, dass ihr Puls stieg, während sie in seine unglaublichen Augen schaute. Ließe sie ihn jetzt nur noch ein wenig dichter an sich heran, würde sie einen schweren Fehler
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