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Herzenstimmen

Herzenstimmen

Titel: Herzenstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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hilfreich.
    Am Ende eines jeden Gesprächs stand immer derselbe Satz: Das musst du selber wissen.
    Wenn sie es wüsste, hätte sie nicht gefragt.
    Sie hätte sich Zeit nehmen können. Etwas ausprobieren. Sie hätte sich auf die Suche begeben können. Sie wusste nur nicht, wonach, und wollte nichts beginnen, wenn sie keine Vorstellung hatte, wie es endete. Sie hasste Überraschungen. Das Unerwartete gehörte nicht zu ihren Freunden. Schon damals nicht.
    Sie stand nicht unter Druck. Nicht von außen. Es war der von innen, dem sie sich am schwersten widersetzen konnte.
    Am Ende entschloss sie sich für das Naheliegendste. Wie so oft.
    Trat in Fußstapfen, die ihr nicht passten.
    Nicht weil sie zu groß waren. Oder zu klein. Die Form lag ihr nicht.
    Sie studierte Jura. Ohne große Leidenschaft, aber mit Erfolg.
    Sie richtete sich ein in einem Leben, das ihr vertraut war – und trotzdem nicht das ihre.
    Sie funktionierte.
    Sie verbrachte keinen Tag in abgedunkelten Schlafzimmern. Nicht einen.
    Sie nahm keine Tabletten. Darauf war sie stolz.
    Die Vielzahl der Möglichkeiten hatte sie erfolgreich reduziert.
    Am Ende hatte sie Pläne, keine Träume.

7
    A m nächsten Tag bat mich Thar Thar, ihnen auf dem Feld zu helfen. Es sei die Zeit der Ingwer-, Karotten- und Kartoffelernte, und dabei könnten sie jede Hand gebrauchen.
    Wir marschierten am frühen Morgen gleich nach dem Frühstück gemeinsam los, beladen mit Körben, Haken, Forken und Schaufeln. Die Sonne lag noch versteckt hinter den Bergen, es war kühl, eine zarte Schicht Raureif bedeckte Gräser und Blätter. Die Luft war klar und frisch, der Himmel tiefblau und wolkenlos. Ein Kuckuck rief.
    »Du darfst dir etwas wünschen«, sagte Thar Thar, der hinter mir lief.
    »Warum?«
    »Das ist so bei uns: Wenn du am Morgen den ersten Ruf des Kuckucks hörst, darfst du dir etwas wünschen.«
    »Geht es auch in Erfüllung?«
    »Nur wenn du dann bei der Ernte auch noch zwei zusammengewachsene Kartoffeln findest.«
    »Du glaubst an solche Zeichen?«, fragte ich überrascht.
    »Tut das nicht jeder? Auf seine Weise?«
    Die Felder hinter dem Bambushain erstreckten sich weiter, als ich vermutet hatte. Manche waren frisch umgegraben, auf anderen wuchsen verschiedene Gemüse. Das Kartoffelkraut war zum Teil bereits verwelkt, und Moe Moe, der es wieder besser ging, zeigte mir, wie man erntet.
    »You see?«, sagte sie, umfasste mit ihrem einen Arm ein Büschel Blätter und zog sie heraus mitsamt ihren Stielen, an denen die Kartoffeln hingen, und kniete sich auf den Boden.
    »You see?« Sie zwinkerte mir stolz zu und begann in der Erde nach weiteren Knollen zu suchen.
    »I see«, sagte ich, hockte mich zu ihr und half.
    Es musste vor einigen Tagen kräftig geregnet haben, die Erde war noch weich und feucht. Mit beiden Händen grub ich in den Ackerfurchen, Moe Moe nahm die Kartoffeln und legte sie in einen Korb.
    Zusammen hatten wir schnell mehr als zwei Dutzend gefunden, robbten weiter, rupften die nächste Pflanze heraus, ich wühlte, sie sammelte ein. Nach wenigen Metern waren wir ein eingespieltes Team.
    Sie musterte meine tiefschwarzen Hände und Arme, der Dreck reichte bis über die Ellenbogen. »How are you?«, fragte sie.
    »I am fine, just fine«, antwortete ich.
    »You are fine?«, fragte Moe Moe, und ich sah, wie sehr sie sich bemühte, ernst zu bleiben.
    »Yes, I am fine«, sagte ich und musste lachen. Moe Moe stimmte ein, und wir lachten, bis uns die Tränen kamen.
    Die Sonne stieg über die Bergkuppen, und schon bald wurde es warm. Der Schweiß rann mir den Nacken hinunter, ich war die Einzige, die keine Kopfbedeckung trug. Als Moe Moe sah, wie sehr ich schwitzte, nahm sie ihren Hut aus Stroh und setzte ihn mir auf. Ich wollte ihn ihr zurückgeben, ihre Augen baten mich, es gar nicht erst zu versuchen.
    Mein Bruder würde sagen, sie war dankbar, mir einen Gefallen tun zu dürfen.
    Das Glück des Gebens.
    Als unser Korb voll war, wollte ich ihn zurück zum Kloster schleppen. Er war so schwer, dass ich ihn ohne Hilfe nur ein paar Meter tragen konnte.
    »Heavy«, sagte ich und stellte ihn schnaufend wieder ab.
    »Heavy«, wiederholte Moe Moe langsam, dabei jeden Laut sorgsam betonend.
    »Very heavy?« Ihr fragender Blick.
    »Very heavy!«, bestätigte ich.
    »Need help?«
    »Yes, I do need help.«
    Ihre Augen strahlten. Ich begriff, dass für sie jedes neue Wort nicht einfach eine Vokabel war. Es war ein Geschenk, kostbar und einmalig. Eines, das man pflegen und bewahren

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