Herzenstimmen
Ihre Ängste wichen einer Zuversicht, die sie noch nie empfunden hatte, nicht einmal in den allerschönsten Stunden mit Maung Sein.
Es dauerte nicht lange, bis er bemerkte, was in seiner Frau vor sich ging. Nicht der Bauch, der sich zu wölben begann, fiel ihm auf, sondern die Ruhe, die sie plötzlich ausstrahlte. Als wäre alles Gequälte über Nacht von ihr abgefallen. Ihre Augen strahlten, ihre kräftigen Lippen wurden noch ein wenig voller, ihr schlanker Körper bekam Rundungen, und er erlebte sie lachend, wie er sie nie zuvor gesehen hatte.
Auf dem Feld und im Haus musste er ihren Tatendrang bremsen, weil er fürchtete, sie verausgabe sich zu sehr. Das Dach wollte sie mit geliehenem Geld neu decken. Auf einem brachliegenden Teil des Gartens weitere Tomatenstauden pflan zen. Einen kleinen Hühnerstall bauen.
Eines Nachts fühlte Nu Nu eine erste Bewegung in ihrem Bauch. Sie wollte ihren Mann wecken und besann sich eines Besseren. Dieser Moment sollte nur ihr gehören.
Ihr und ihrem Sohn.
Sie rührte sich nicht, horchte in ihren Körper hinein, atemlos. Hatte sie es sich nur eingebildet? Einige Sekunden verstrichen, dann hatte sie wieder das Gefühl, etwas zu spüren. Ein sanftes Zucken, der Flügelschlag eines Schmetterlings.
Wenn sie sich unbeobachtet wähnte, legte sie beide Hände auf den Unterleib, streichelte ihn und begann zu ihrem Sohn zu sprechen. Erzählte ihm von einer Hütte, in der es nicht viel gab außer der Liebe für ihn. Von einem Vater, der von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang arbeitete, damit sie nicht hungern mussten. Von einer Mutter, die sich so sehr auf ihn freute, dass sie sich für kaum etwas anderes interessierte. Von einem Leben, das nicht leicht werden würde, da dürfe er sich keiner Illusion hingeben, und das dennoch le benswert war in all seiner Schönheit und Härte. Meistens zumindest.
Je stärker der Bauch sich wölbte, desto mehr Zeit brauchte sie für sich und ihr Kind. Das Bücken auf dem Feld wurde mühsam, jeder Schritt kostete Kraft, die Arbeit im Haus ging ihr nur noch schwer von der Hand. Ihre Beine schwollen an, in der Nacht fand sie keine Position, in der sie ruhig liegen konnte. Egal wie sie sich bewegte, irgendetwas tat immer weh. Am liebsten saß sie mit einer Thermoskanne Tee auf der obersten Treppenstufe, lehnte an der Veranda, eine Decke im Rücken, strich sich über den Bauch und spürte ihr Kind.
Zum ersten Mal konnte Maung Sein ihr nicht helfen. Im Gegenteil, es gab Momente, da empfand sie seine Gegenwart als störend. Wenn er sie am Abend vor dem Einschlafen in den Arm nehmen wollte, drehte sie sich weg, weil ihr die körperliche Nähe zu viel war. Wenn er verschwitzt vom Feld kam, hoffte sie, er würde als Erstes in den Fluss gehen, weil ihr sein Geruch, den sie noch vor Kurzem so gemocht hatte, unangenehm war.
Eines Abends, sie hatten bereits die Kerze gelöscht und lagen in der Dunkelheit nebeneinander, hörte sie ihn mit den Zähnen knirschen. Das tat Maung Sein nur, wenn er unruhig und nervös war.
»Nu Nu?«
Am liebsten hätte sie sich schlafend gestellt.
»Nu Nu?« Diesem bittenden Ton konnte sie nicht widerstehen.
»Ja?«
»Ist etwas mit dir?«
Sie wusste, wie schwer ihm dieser Satz gefallen sein musste. Ihr Mann war kein Mensch, der gern Fragen stellte. Aber sie konnte ihm unmöglich sagen, was in ihr vorging. Sie wollte ihn weder kränken noch verletzen. »Nein. Wie kommst du darauf?«
»Du bist so …«, er suchte lange nach einem Wort, »anders als sonst.«
»Ich habe unser Kind in mir«, antwortete sie und hoffte, das Gespräch wäre damit beendet.
»Ich weiß, aber das meine ich nicht.«
»Was dann? Wie bin ich anders?« Sie hätte sich gern zu ihm umgedreht und ihn beruhigend geküsst oder ihm über den Kopf gestrichen, aber sie konnte es nicht.
»Ich weiß nicht. Anders. Du schaust mir kaum noch in die Augen. Du magst es nicht, wenn ich dich streichele.«
»Doch, doch.« Sie war keine gute Lügnerin.
»Du magst meinen Geruch nicht mehr.«
»Das stimmt nicht. Wie kommst du darauf?«, erwiderte sie schwach.
»Und jetzt sagst du auch noch die Unwahrheit.«
Sie hörte, wie verletzt er war. Wie sehr er sie brauchte. Nu Nu überlegte kurz, ob sie ihm sagen sollte, wie sie sich fühlte. Er würde sie nicht verstehen.
Sie verstand sich selbst nicht.
»Nu Nu?«
Sie wollte nicht reden. Sie wollte ihre Ruhe und allein sein. Allein mit sich und ihrem Kind.
Es war ein fremdes, irritierendes Gefühl, über das sie
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