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Herzenstimmen

Herzenstimmen

Titel: Herzenstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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denen, die das Militär holte, kehrten nur die wenigsten zurück. Und die sprachen nicht mehr.
    Der Offizier ließ das Megaphon sinken und den Blick über die Menge schweifen.
    Die kleinen Menschen vor ihm waren noch kleiner geworden.
    Keiner sagte ein Wort.
    Nu Nu nahm ihre beiden Jungen und ging nach Hause. Noch einmal überlegte sie fieberhaft, ob es eine Möglichkeit gab, zu fliehen oder sie zu verstecken. Die Latrine? Der Schuppen des Nachbarn? Die leere Hütte am Ende des Dorfes? Lächerlich. An diesen Orten würden sie zuerst suchen. Vielleicht das Kloster am Rande des Bambushains, in dem vier ältere Mönche mit einem Dutzend Novizen lebten. Würden die Soldaten es wagen, dort einzudringen? Wahrscheinlich nicht.Aber was würden die Dorfleute sagen, wenn sie erführen, dass sie Ko Gyi und Thar Thar in Sicherheit gebracht hatte? Die meisten würden schweigen und sie schützen, daran zweifelte sie nicht, doch eine Stimme des Verrats würde genügen. In nur einem Herzen müssten der Neid, die Missgunst, die Trauer siegen, und ihre Kinder wären verloren.
    Nein, das Risiko war zu groß, es gab keinen Platz, der Sicherheit versprach. Der Tod nahm sich, wen er wollte.
    Ko Gyi und Thar Thar folgten stumm ihrer Mutter. Zu Hause standen sie reglos in der Hütte und beobachteten jede ihrer Bewegungen.
    Nu Nu fragte sich, was sie ihren Söhnen einpacken sollte. Sie hatten nur die Gummisandalen, die sie an den Füßen trugen. Sie besaßen jeder ein zweites T-Shirt, einen zweiten Longy, eine Jacke und ihre Zahnbürsten.
    Das war alles.
    Einen Talisman? Sie brauchten dringend einen Talisman, der sie beschützen könnte. Nu Nu fiel sofort das Stück Rinde ein, das ihr Mann von der Kiefer abgebrochen hatte, unter der sie sich das erste Mal geküsst hatten. Er hatte es ihr gegeben und gesagt, es würde sie beschützen. Es war das einzige Andenken, das sie noch von ihm besaß. Seine Kleidung hatte sie längst aufgetragen, ein Foto von ihm hatte sie nie besessen. In den Wochen und Monaten nach seinem Tod hatte sie das Rindenstück am Abend oft umklammert und war damit eingeschlafen. Es sollte verhindern, dass ihr Herz in der Nacht vor Kummer einfach aufhörte zu schlagen. Jetzt lag es ganz unten in der Truhe, in der sie ihre wenigen Habseligkeiten aufbewahrte, eingepackt in ein Stück Stoff.
    Sie holte die Rinde hervor. Sie war dick und noch immer fest, kaum größer als Nu Nus Handfläche. Ein Stück, zwei Kinder. Würde es seine Schutzkraft verlieren, wenn sie es teilte?
    Einen Augenblick lang überlegte sie, Thar Thar etwas anderes zu geben, aber ihr fiel nichts ein. Sie zerbrach das Stück in zwei Teile, ein kleines und ein großes.
    Mit einem rostigen Nagel bohrte sie Löcher in beide, zog Fäden durch, verknotete sie. Nu Nu schloss die Augen und küsste die Stücke, bevor sie sie ihren Söhnen um den Hals hängte.
    Das große für den großen.
    Das kleine für den jüngeren.
    Kurz darauf hörten sie die Stimmen der Soldaten. Ko Gyi nahm das Bündel mit ihren Sachen, und sie gingen hinaus. Noch immer hatten sie kein Wort gewechselt.
    Nu Nu blickte ihren Söhnen nach. Sie gingen fort, ohne sich umzuschauen. Ihr Herz raste. Als es sie nicht mehr hielt, als sie einen Schritt nach vorne machen und ihnen folgen wollte, verstellte ein Soldat ihr den Weg und drängte sie durch die Pforte auf ihr Grundstück zurück. Einmal noch gelang es ihr, durch die Hecke zu spähen, das Letzte, was sie sah, waren die beiden grün-schwarzen Longys ihrer Söhne.
    Zwei große Kinder, die in den Krieg zogen.
    Mit einem Stück Borke um den Hals.
    Aber sie gab nicht auf.
    Eine Chance hatte sie noch.

18
    S ie trafen sich am Abend beim Brunnen. In einem einsamen Dorf, in dem Mütter und Väter um ihre Söhne fürchteten. In dem die Angst auf den Bäumen saß, Grimassen schnitt und ihren widerwärtigen Schatten warf.
    In dem die Herzen versteinerten.
    Wege und Pfade waren menschenleer. Niemand traute sich aus seiner Hütte. Selbst die Tiere hatten sich verkrochen. Die Schweine lagen still in ihrem Dreck, die Hühner verschwanden geräuschlos hinter Schuppen, Holzstapeln oder im Gebüsch. In den Latrinen hatten die Ratten und Schlangen Zuflucht gesucht.
    Es herrschte eine übel riechende Stille.
    Sogar der Kerzenschein, der sonst Abend für Abend Häuser und Höfe erhellte, war vor Angst erloschen.
    Nur der Mond fürchtete sich nicht. Er stand groß und rund an einem wolkenlosen Himmel und erleuchtete die Nacht.
    Der Kommandant wartete unter einem

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