Wiederholung eines einst spannenden Krimis flackerte über den Bildschirm, als mein Handy rasselte.
„Jung?“ Schweigen am anderen Ende.
„Hallo.“ Immer noch Schweigen. Ich schaute auf das Display, das keine Nummer anzeigte. War das wieder so ein Werbeanruf, bei dem nach einigen Sekunden eine Maschine losplappert? Aber nicht um die Uhrzeit. „Arschloch“, sagte ich und legte auf. Hoffentlich war das nicht Leo. Aber nein. Dessen Nummer hatte das Display neulich angezeigt. Da kannte ich sie nur noch nicht.
Dann konnte das eigentlich nur ... oh nein. Vor Schreck krampfte sich mein Inneres zusammen. Ich schaltete das Telefon aus, während mein Atem flacher ging. Sie hatte meine neue Handynummer.
Kapitel 6
Ich holte mein iPad und checkte meine E-Mails. War eine von ihr dabei? Ja. Betreff: Nicht lesen, bitte nicht lesen, ermahnte mich mein besseres Ich. Schmeiß´ sie gleich weg ...
Doch. Ich musste wenigstens den Betreff lesen. Vielleicht irrte ich mich ja. Aber nein:
Absender: Hase, Oster
Betreff: Miststück
ich weiß, dass du rumvögelst, während ich hier auf deinen sachen sitze. bring das in ordnung, oder es passiert was. h.
Ach du Scheiße. Das war nur eine von ungefähr fünf Mails, die sie mir in meiner Abwesenheit geschickt hatte. Ich löschte alle. Wieder eine E-Mail-Adresse blockiert. Fantasie hatte sie ja.
[email protected] …
Absender: Pergat, Dominique
Betreff: Ich finde es raus :-)
Hi Sabina,
tut mir leid wegen eben. Ich wollte nicht penetrant sein. Aber du hast so happy am Telefon geklungen. Du hast es also die ganze Nacht und noch einen ganzen Tag lang mit ihm ausgehalten. Ohne wegzurennen. Das ist ein gutes Zeichen. Bitte halt´ es noch eine Weile mit ihm aus, damit ich ihn auch mal kennenlerne. Ich will wissen, wie der Mann aussieht, der aus meiner Sabina „Dr. Kimble auf der Flucht“ eine Frau macht, die auch mal etwas von sich hergibt.
Bussi & hab dich lieb, Deine Nick
Na gut. Ich hatte ihr schon eine Weile keine Männer mehr vorgestellt. Mindestens drei Jahre nicht. Aber trotzdem ...
Absender: Jung, Sabina
Betreff: RE: Ich finde es raus :-)
Hey Nick,
bin ich wirklich so dermaßen gefühlsgeizig, wie du mich gerade darstellst? Ich erschrecke ja vor mir selber ;-)
Bussi zurück, Sabina (hab dich auch lieb)
Leo schrieb, er vermisse mich, und ich schickte ihm zur Antwort heiße Küsse.
Meine Schlafversuche scheiterten kläglich. Stattdessen kreisten meine Gedanken, meine Gefühle um die Nacht davor. Leo hatte von mir Besitz ergriffen. Zum ersten Mal in meinem Leben vermisste ich einen Mann neben mir in meinem Bett. Was hätte ich jetzt darum gegeben, ihn hier zu haben. Einfach nur schlafend, von mir aus. Aber neben mir. War ich plötzlich verrückt geworden? War das der Beginn einer fatalen Abhängigkeit? Und wenn schon. Wenn es sich so gut anfühlte, konnte es nicht falsch sein …
Ich wachte viel früher auf, als ich wollte. Lieber hätte ich mich ausgeschlafen. Aber ich konnte nun mal kein Auge mehr zu tun. War das die Energie, die Leo mir auf irgendeine magische Weise verliehen hatte?
Irgendwann musste ich anfangen, für meine mündliche Prüfung zu lernen. Warum nicht gleich jetzt? Nach dem Frühstück schlug ich meine Bücher auf. Doch jeden Absatz las ich zweimal. Bei keinem hatte ich das Gefühl, verstanden zu haben, worum es geht. Stattdessen fiel mein Blick immer wieder auf seinen Blumenstrauß.
Dauernd schweiften meine Gedanken ab. Was tat er gerade? Saß er einem Beschuldigten gegenüber und protokollierte er ein Geständnis? Stand er im Leichenschauhaus und studierte Obduktionsergebnisse? Oder besuchte er gerade irgendeinen grässlichen Tatort, an dem sich blutige Dinge ereignet hatten?
Wie sah er aus, wenn er all diese Dinge tat? Ich wünschte mir, ihn bei der Arbeit zu sehen. Nach einer wenig ergiebigen Stunde schlug ich das Lehrbuch zu. Mit einem Knall. So ein Mist. Vor zwei Wochen hätte ich noch konzentriert gearbeitet, mindestens zwei Stunden lang.
Ich holte mein halb fertiges rotes Kleid und die Nähmaschine hervor. Beim Nähen konnte ich ungestört an Leo denken und schuf wenigstens noch etwas Nützliches nebenbei …
Als das Telefon klingelte, stach ich mir mit der Nähnadel vor Schreck in den Finger. Shit. Ich lutschte den Blutstropfen ab, während ich vorsichtshalber auf das Display schaute. Mama. Gottseidank nicht wieder - sie.
„Hasenkind“, rief sie in den Hörer. „Wie geht es dir denn? Wir haben am Wochenende