Herzgefaengnis
Straße ankamen, duckte ich mich. „Ist eine Frau da draußen? Mit kurzen blonden Haaren?“
Er schüttelte den Kopf. „Nö. Da ist niemand.“
Er hatte sich nicht sehr über die Sache mit meinem Auto gewundert. Auch, dass Heimke vor meiner Wohnung gestanden hatte, fand er nicht weiter erstaunlich. Seiner Meinung nach liefen da draußen viel zu viele Verrückte herum, als dass es ihn noch schockieren konnte.
Ich schloss meinen Briefkasten auf. Max musste die Post herausnehmen. Auf den ersten Blick war nichts Ungewöhnliches dabei. Zwei größere Briefumschläge, drei Prospekte. Ich musste endlich mal daran denken, ein „Bitte keine Werbung“-Schild am Briefkasten anzubringen.
Auf der Treppe kam uns Dr. Dr. Jahnke entgegen. Trotz seiner Marotten grüßte ich ihn höflich. Anwaltstochter eben. Man weiß, was Nachbarschaftsstreitigkeiten auslösen können.
„Oh, Frau Jung. Gut, dass Sie da sind. Gestern hat jemand bei mir nach Ihnen gefragt.“
Das klang direkt vorwurfsvoll. Sollte ich jetzt sagen, dass es mir leidtat?
„Eine junge Frau. Ihre Freundin? Sie wirkte so aufgeregt.“
Ich musste mich am Treppengeländer festhalten. Wie war sie hier hereingekommen?
„War sie blond? Kurze Haare? Etwa so groß?“ Ich zeigte Heimkes Größe an. Dr. Dr. Jahnke nickte.
„Ähh, danke, Herr Dr. Jahnke. Das ist nicht direkt eine Freundin. Eher im Gegenteil. Würden Sie mir netterweise Bescheid sagen, wenn sie das nochmals tut? Und sie auf keinen Fall hineinlassen?“
Mein Puls hatte sich beschleunigt. Max legte mir die Hand beruhigend auf die Schulter. Dr. Dr. Jahnke nickte. Hinter seinen Brillengläsern studierten mich seine farblosen Augen.
„Ich werde ihr sagen, Sie sind nicht da, wenn sie noch mal klingelt. Aber machen Sie um Himmels willen nicht wieder so einen Lärm wie letzte Woche.“ Dr. Dr. Jahnkes Blick wanderte tadelnd zu Max. Wahrscheinlich hatte er ihn als Lärmverursacher in Verdacht.
„Ganz bestimmt nicht! Und vielen Dank.“ Hastig zog ich Max weiter die Treppe hinauf, bevor mein Nachbar weitere Fragen stellen konnte.
„Lärm? Wart ihr zu laut?“ Max grinste breit, als wir meine Wohnung betraten. Ich errötete.
„Geht dich gar nichts an, Brüderchen“.
Wir schauten uns die Umschläge an. Der eine war vom Elektrizitätswerk. Wahrscheinlich die Stromrechnung. Der andere hatte keinen Absender. Er war dick und gepolstert, wog aber wenig.
„Ist das eine Briefbombe?“ Max konnte einem direkt Mut machen. Ich schleuderte den Brief vorsichtshalber mit Wucht auf den Küchenboden. Jetzt hätte er ja explodieren müssen, doch es rührte sich nichts.
„So weit wird sie doch nicht gehen.“ Hoffte ich zumindest. Ich nahm ein Geschirrtuch, um den Brief aufzuheben und näher anzusehen. Wegen der Fingerabdrücke.
„Und Gift?“
„Max! Hast du noch mehr solcher Ideen auf Lager? Sollen wir gleich bei der Polizei vorbeifahren? Die lachen mich doch aus!“
Wir befühlten den Brief, ohne Ergebnis. An einer Stelle schien er etwas dicker zu sein. Ich holte eine Schere und schnitt todesmutig eine Schmalseite des Umschlages auf. Immer darauf bedacht, ihn nur mit dem Geschirrtuch anzufassen. Es geschah nichts.
Außer, dass ein unangenehmer Geruch dem Umschlag entströmte. Wir sahen uns an. Doch Gift? Vorsichtig schüttelte ich den Inhalt des Umschlags auf ein Küchentuch, das ich auf dem Boden ausgebreitet hatte. Igitt. Es roch wirklich zum Gotterbarmen.
Wir schreckten beide zurück, als der Inhalt auf das Küchentuch purzelte. Fast hätte ich gekotzt. Es war eine tote, halb vergammelte Maus, die übelst nach Verwesung roch.
Max war kreidebleich, fast grün im Gesicht. Er sprang auf und verließ fluchtartig die Küche. Wenn kleine Brüder einem mal helfen sollen. Jetzt musste ich ihm womöglich noch den Kopf halten und mein Bad sauber machen. Scheiße.
Doch er musste nicht kotzen. Zum Glück kam er sofort wieder, mit zwei feuchten Waschlappen, die wir uns vor das Gesicht hielten.
Ich riss das Fenster weit auf.
„Fotografier´ es“, murmelte Max, immer noch grün im Gesicht. Ich kramte nach meinem iPad und versuchte mit zitternden Fingern, ein einigermaßen scharfes Foto von der Bescherung zu machen. Nicht leicht, wenn man dabei die Luft anhalten muss.
„Den Gestank kannst du nicht fotografieren.“
„Gottseidank. Reicht schon, dass wir den ertragen müssen.“
Mit noch spitzeren Fingern als vorher legte ich den Briefumschlag in Position, um ebenfalls ein Bild davon zu machen.
„Da ist
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