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Herzgefaengnis

Herzgefaengnis

Titel: Herzgefaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greta Schneider
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seinem linken Handgelenk sichtbar.
    Fragend schaute er meinen Anwalt an.
    „Welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht für eine Haftverschonung?“
    Dr. Krawczyk legte keinen übertriebenen Eifer an den Tag. Er taxierte den Richter, den er aus gefühlten 5000 Verhandlungen kennen musste, wie einen Neuling.
    „Welche Gründe sprechen dagegen, Herr Vorsitzender? Sie hat einen festen Wohnsitz, steht kurz vor ihrem zweiten juristischen Staatsexamen, ihre Eltern könnten sogar eine Kaution leisten. Aber vor allem ist sie unschuldig.“
    Er verschränkte die Arme vor der Brust, und sein Kinn reckte sich genau so kampflustig wie letzte Woche bei der Begegnung mit Leo.
    Es klopfte an der Tür zum Nebenzimmer, in dem die Akten von der Geschäftsstelle gehütet wurden. Herein kam eine Dame unbestimmbaren Alters, in einem senfgelben Kostüm. Sehr elegant.
    „Bitte entschuldigen Sie. Ich war bis eben in einer Sitzung“, wandte sie sich an den Richter. Ihre Stimme war kehlig und samtig. Ich hätte sie mir gut als Jazz-Sängerin auf einer Bühne vorstellen können.
    „Ich hoffe, Sie konnten schon ohne mich anfangen, Herr Müller.“
    Sie schüttelte Dr. Krawczyk die Hand, und ich meinte, ein einverständliches Zwinkern in ihren und in seinen Augen zu erkennen.
    Dann fasste sie mich ins Auge. Kritisch. Ich war versucht, ebenfalls mein Kinn in dieser kampflustigen Weise zu recken wie mein Verteidiger. Doch ich trug leider kein Kostüm und keine Pumps, sondern nur eine ziemlich gut sitzende Jeans und ein paar Chucks, die an der Innenseite auch noch beschriftet waren. Ohne Schnürsenkel. Wenigstens gelang mir ein abschätzender Blick über ihr gesamtes Äußeres. Das hinderte sie nicht, ein siegessicheres Lächeln aufzusetzen.
    Das war die ermittelnde Staatsanwältin. In dieser schäbigen Umgebung wirkte sie irgendwie deplaziert.
    „Frau Brick-Kampmann, wir haben bereits begonnen. Herr Dr. Krawczyk war gerade dabei, seinen Haftprüfungsantrag zu erläutern“, sagte der Richter. Die Staatsanwältin blätterte in einer Akte, die genau so dick war wie die des Richters. Mein Verteidiger hatte das gleiche Exemplar vor sich liegen.
    Er ergriff wieder das Wort. „Es gibt keine stichhaltigen Beweise gegen meine Mandantin. Keine Fingerabdrücke auf der Tatwaffe. Keine Fingerabdrücke auf dem Taschenmesser des Opfers. Ihre Angaben haben sich durch die Ermittlungsergebnisse alle bestätigt: der Anruf bei der Feuerwehr, die Art der Verletzung, die sie dort geschildert hat, das Stalking. Frau Staatsanwältin, haben Sie übrigens schon die Maus gesehen?“
    Die Staatsanwältin rümpfte ein wenig die Nase und nickte. „Und das ist genau der Grund, warum der dringende Tatverdacht fort besteht“, sagte sie. „Ihre Mandantin verfügte über ein starkes Motiv für die Tat. Und sie hatte die beste Gelegenheit. Das Fehlen der Fingerabdrücke entlastet sie kein bisschen.“
    Dr. Krawczyk schüttelte den Kopf. „Ich bitte Sie. Das ergibt doch alles keinen Sinn. Warum ruft sie die Feuerwehr, wenn das Opfer in Wirklichkeit schon tot ist? Warum läuft sie mit einem Riesenmesser aus dem Haus, das offensichtlich nicht in ihren Haushalt gehört? Warum sind daran aber keine Fingerabdrücke? Und gestatten Sie mir die Frage: Warum ermitteln Sie nur in diese eine Richtung? Es gäbe Anlass genug, das Umfeld des Opfers genauer zu untersuchen. Welche Schritte haben Sie da unternommen?“
    Er und Richter Müller schauten erwartungsvoll in Richtung der Staatsanwältin. Sie ließ sich dadurch jedoch keineswegs aus der Ruhe bringen. Gedankenvoll schlug sie die letzten Seiten der dicken Akte auf, wo sich lose Polizeiberichte stapelten. Sie hielt einen in die Luft.
    „Hier. Kriminaloberkommissar Helmers hat in der Uni und in ihrer Nachbarschaft ermittelt. Einige Personen, die als Zeugen infrage kommen, wurden vernommen. Andere sind noch nicht erreicht worden oder einer Ladung zur Polizei nicht nachgekommen. Wir sind also da dran. Die bisherigen Zeugen haben zur Aufklärung noch nichts beigetragen.“ Sie reichte dem Richter und meinem Anwalt ein Exemplar des Polizeiberichtes. „Hier, für Ihre Akten.“
    Alle drei überflogen den Bericht, der offenbar nichts Neues enthielt. Dr. Krawczyk blickte als Erster auf. „Und wie sieht es mit den Ermittlungen im Wohnhaus meiner Mandantin aus? Jemand muss doch etwas beobachtet haben.“
    Staatsanwältin Brick-Kampmann runzelte die Stirn, als sie gezielt ein Blatt mitten in der dicken Akte aufschlug. „Hier haben wir es.

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