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Herzhämmern

Titel: Herzhämmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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wieder?«, will Ecke wissen. Er tastet den oberen Teil der Höhle mit seinem Lichtstrahl ab, die Schatten tanzen und springen, Felsvorsprünge und Vertiefungen, alles ist in Bewegung. Ehe mir schwindlig wird, steige ich vorsichtig mit Bonnis Hilfe in die Höhle hinab. Alles ist nass und schmierig und die Mitte des Raumes nimmt eine große Lehmpfütze ein. Ich umgehe sie auf holperigen Brocken, meine Schuhe saugen sich fest, jeder Schritt wird von einem schmatzenden Geräusch begleitet.
    Shelley ist hinter mir aus dem Fenster gestiegen und haut den Metallrahmen seiner Lampe gegen die Wand. Nichts passiert.
    »Die ist hin«, sagt Ecke.
    »Aber gestern ging sie doch auch wieder!« Bonni klingt beunruhigt.
    Shelley winkt Ecke zu sich. »Leuchte mir mal«, sagt er.
    Dass ich gekotzt habe, hat er über dem Lampenproblem vielleicht vergessen. Aber ich traue ihm auch zu, dass er so anständig ist, es nicht zu erwähnen. Ecke an seiner Stelle würde garantiert eine nette kleine Pantomime daraus machen. Und Bonni? Ich weiß nicht.
    Er ist auch hinzugetreten und beugt sich über den Lichtschein. »Kriegst du sie wieder hin?«
    Shelley gibt keine Antwort. Seltsamerweise habe ich Vertrauen zu ihm. Mich stört nur, dass die Lampe gestern schon kaputt war.
    »Das Ding war noch nie zuverlässig«, sagt Ecke jetzt. »Weißt du noch …« Er schildert genüsslich eine dramatische Abseilaktion, während der Shelleys Scheinwerfer ausging und seine eigene Lampe nutzlos und unerreichbar in einem Nebenraum lag.
    Ich will das eigentlich gar nicht so genau wissen. Anders als Bonni, der sich sehr dafür interessiert, wie Ecke und Shelley sich eigentlich geholfen hätten. »Schwein gehabt«, murmelt er, als er hört, dass eine weitere Gruppe auf die beiden gestoßen sei und sie praktisch gerettet habe.
    Ein solches Wunder kann ich mir hier nicht vorstellen; meinem Gefühl nach sind wir vier die einzigen Menschen, die diese Höhle kennen. Ich muss mich ablenken. Muss das Dunkel ausleuchten. Noch nie habe ich so einen bizarr zerklüfteten Raum gesehen, wo hinter jedem Vorsprung Spalten in das Gestein schneiden, die vielleicht weiterführen. Eine Wand lässt mich an einen erstarrten Wasserfall denken, als wäre das Wasser im Fall erfroren, Welle auf Welle übereinander und grünlich glänzend. Wenn wir nicht so grausig allein wären, könnte das schön sein. Auch die Tropfsteine, die sich an der Decke gebildet haben.
    »Liegt es wirklich nicht an den Batterien?«, will Bonni wissen.
    Shelley schüttelt den Kopf. »Hab ich schon ausprobiert.«
    »Willst du mal meine prob…«
    »Nein«, sagt Shelley, »deine passen nicht. Das Scheißding ist wirklich im Eimer.« Er klopft gereizt daran herum.
    »Sie geht!«, brüllt Bonni.
    Tatsächlich gibt die Lampe einen unsteten Schimmer von sich.
    »Vielleicht wenn ich sie nur wenig bewege …« Shelley hält die Lampe wie eine Bombe, die man zum Entschärfen trägt. »Wo geht’s weiter?«, fragt er.
    Ecke stürmt mit schmatzenden Schritten voraus und auf einen komfortablen Gang zu. Bonni folgt ihm und ruft mir zu: »Hier lang, Martina! Hast du den Wasserfall gesehen?«
    »Sicher.« Die Sache mit Shelleys Lampe beunruhigt mich sehr. Warum kehren wir eigentlich nicht um, wenn das Ding nicht funktioniert? Das wäre doch naheliegend!
    »Wartet mal«, sage ich, als ich bei ihnen bin. Ich leuchte meine Handfläche an. Quer über den Daumenballen zieht sich ein blutiger Kratzer, er hat mit Lehm zusammen eine dünne Kruste gebildet. »Ich brauche ein Pflaster.«
    Die drei tauschen ratlose Blicke.
    »Habt ihr euch denn noch nie verletzt?«, sage ich ungläubig.
    »Zeig mal«, fordert Ecke mich auf. Er beleuchtet meine Hand, und ich knipse sofort meine Lampe aus, um die Batterien zu schonen. »Das ist nicht schlimm. Wir haben schon übler ausgesehen. Spuck einfach drauf.«
    »Seid ihr noch nie auf die Idee gekommen, Verbandszeug mitzunehmen?«
    »Na ja, draußen denkt man halt nie dran«, meint Shelley ein wenig verlegen.
    Der Kratzer sieht eigentlich lächerlich aus, nicht erwähnenswert. Ich will nicht wissen, was für Hände meine Eltern hatten, wenn sie klettern gingen. Aber was, wenn mein Tetanusschutz nicht ausreicht? Ich will nicht gerade an Wundstarrkrampf sterben! Wenn ich Pech habe, ist der verdammte Erreger jetzt schon in meine Blutbahn eingedrungen.
    »Manche tragen Handschuhe«, sagt Shelley, »aber mit Handschuhen fühlst du halt nicht so gut, wohin du greifst. Deswegen gehen wir ohne. Du bist besser

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