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Herzhämmern

Titel: Herzhämmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Stimme zischelt und bricht sich an den engen Wänden. Wo ist der verdammte Schalter dieser verdammten Lampe - ich stecke mitten in der Erde und die Wände erdrücken mich!
    »Aber klar«, sagt Shelley ruhig. »Mach mal dein Licht an. Meine Lampe spinnt. Wahrscheinlich ein Wackelkontakt.«
    Ich sitze gekrümmt im engen Gang und leuchte Shelleys Finger an, die an seinem Scheinwerfer herumschrauben. Es ist eine viel größere Lampe, als wir anderen sie haben.
    »Marke Eigenbau«, murmelt er, »fantastische Reichweite. Aber irgendwo muss ein Wackelkontakt sein.«
    Zwei gegessene Brote drängen sich auf engstem Raum, das Kinn sitzt mir auf der Brust, alles ist zusammengeschoben. Ich schlucke verzweifelt. Mein Mund füllt sich mit Spucke, mein Gesicht wird kalt und nass, meine Hände verzittern den Lichtschein. Gleich kann ich nicht mehr …
    Shelley haut mit unerwartetem Zorn gegen den Metallrahmen, da glüht die Lampe auf. Sie strahlt mich so plötzlich an, dass ich den Kopf zur Seite reiße. Bonggg . Die Felswand.
    Und da macht mein Magen einen Satz und befördert alles heraus, was ich in ihn hineingestopft habe. Ich würge und übergebe mich und würge, bis nichts mehr kommt.
    Nach einem ersten unwillkürlichen Laut der Überraschung hält Shelley schön still und beobachtet mich.
    Dann, als ich bebend und flatternd Luft hole, macht er den Mund auf. »Was war denn das, Martina?« Die unsinnigste Frage der Welt.
    »Ich habe gekotzt.« Erschöpft will ich mich gegen die Wand lehnen, aber die Decke hängt natürlich zu tief. Bonggg . Das war jetzt einmal zu viel.
    »Ich hab doch gesagt«, fauche ich, »dass ich kein Frühstück vertrage!«
    »Ist das immer so?«
    »Ja! In der Schule kotze ich jeden Tag, wenn meine Mutter mir was reingezwungen hat!« Eine aus meiner Klasse kotzt in der Schule jeden Tag, wenn ihre Mutter sie zum Essen gezwungen hat, ich nicht. Ich esse gern und meine Mutter würde mich auch zu nichts zwingen. Ich stelle sie mir vor, sie sieht mich jetzt und hier, ihr lustiges Gesicht erstarrt vor Schreck, sie glaubt es nicht - das kann nicht ihre Tochter sein, die würde doch niemals in eine solche Situation geraten! Komm, sagt sie, ich kenne eine Abkürzung nach draußen. Sie nimmt mich an der Hand und schon stehen wir vor einer Holzpforte, meine Mutter steckt den Schlüssel ins Vorhängeschloss, stemmt den Riegel zurück und Luft und Licht strömen herein, das helle Sonnenlicht eines wunderschönen späten Oktobersonntags …
    Jetzt merke ich, wie drückend die Luft ist, hier gibt es viel zu wenig Sauerstoff. Aus meinem Einatmen wird ein Schluchzer. Nicht mal abwischen kann ich mich.
    »Hast du ein Taschentuch?«, frage ich Shelley.
    »Ich hatte eines, aber ich hab’s Alex gegeben. Es müsste in einer deiner Taschen stecken. Er hat das Lampenglas damit gesäubert.«
    Ich finde das Tuch. Ein Männertaschentuch mit Streifenmuster. Mein Vater hatte auch solche. Es ist klamm und lehmverschmiert. Ich wische mir damit das Gesicht ab.
    Shelley schaut interessiert zu. Danach bemerkt er: »Vorher warst du sauberer …« Er grinst.
    Ich zucke die Achseln und grinse zurück. »Wir müssen über das hier drüberkriechen«, sage ich mit Blick auf mein ausgewürgtes Frühstück. In Wirklichkeit hatte ich sagen wollen: Bringst du mich hinaus ins Freie?
    Shelley nickt unbekümmert und leuchtet für mich. Danach leuchte ich für ihn. Eine Pfütze mit unverdauten Brotbröckchen bleibt hinter uns zurück.
    Nach einer Weile gibt Shelleys Lampe wieder den Geist auf - gerade als sich der Gang gabelt. Ich höre Ecke und Bonni rufen, aber ich weiß nicht, aus welchem der beiden Gänge.
    »Mach dein Licht aus«, sagt Shelley.
    Das gefällt mir gar nicht, aber ich gehorche. Sowie es dunkel ist, sehe ich am fernen Ende des einen Ganges einen Lichtschein tanzen. Dorthin also. Ich krieche weiter und merke bald zu meiner grenzenlosen Erleichterung, dass diese unmögliche Röhre hier in eine größere Höhle münden muss. Tatsächlich blicke ich am Ende wie durch ein Fenster in eine geräumige, von Felsbrocken übersäte Höhle hinab, in der Ecke und Bonni uns erwarten. Ich bin so froh, endlich Raum vor mir zu sehen, und sei’s auch tief unter der Erde, dass ich am liebsten kopfüber hinunterhechten möchte. Vor lauter Freude rufe ich Ecke und Bonni zu: »Ihr gemeinen Typen!«
    »Ihr Lahmärsche«, gibt Bonni zurück. »Wir warten schon drei Tage auf euch!«
    »Shelleys Scheinwerfer ist kaputt«, erkläre ich.
    »Was, schon

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