Herzhämmern
mit dem Gestein verbunden.«
»Ohne Helm auch«, sagt Ecke grinsend.
»Ein Helm ist schon gut«, meint Shelley.
Bonni macht einen ungeduldigen Schritt. »Diskutieren wir jetzt, bis wir kein Licht mehr haben, oder was?«
Bevor ich mich in Bewegung setze, werfe ich einen sehnsüchtigen Blick zurück in die große Höhle.Wo war doch gleich das Fenster, durch das wir eingestiegen sind? Ich habe keine Ahnung, aus welcher Richtung wir gekommen sind. Es gibt viele Löcher und Spalten hier, aber nur eine Öffnung führt letztendlich hinaus, über den unendlich langen Kriechgang, der sich irgendwo gabelt.
»Weiß jemand, woher wir gekommen sind?«, frage ich.
Ecke hört mich schon nicht mehr und Bonni stapft auch weiter.
»Kein Problem«, sagt Shelley, »hier waren wir doch gestern schon.«
Der Gang ist nur für kurze Zeit komfortabel. Dann versperrt uns ein Wasserloch den Weg. Zum Überspringen ist es zu groß. Rechts und links sind die schmierigen Wände. Was sie an Unebenheiten zu bieten haben, hätte meinem Vater und meiner Mutter genügt, mir ist es zu wenig. Ich sehe mit beginnender Panik, wie Ecke und Bonni vor mir Aufsetzpunkte für ihre Füße suchen, wie sie abrutschen und es erneut probieren.
Ecke schafft es und ist drüben. Bonni drückt sich im letzten Drittel kräftig ab, und während ein Fuß über die Wand nach unten schmiert und die Wasseroberfläche streift, setzt der andere am Rand des Loches auf festem Grund auf. Mit einem Siegesschrei dreht Bonni sich um. »Los, Martina! Du hast gesehen, wie’s geht - das schaffst du auch!«
Nie schaffe ich das, die Wände sind viel zu glatt. Ich suche angstvoll über das Wasser hinweg Bonnis Augen. Es ist sowieso kein Wasser, es ist ein lehmbrauner Sumpf, wer weiß, wie tief.
»Klemm die Lampe im Overall fest, ich leuchte für dich«, sagt Bonni. »Leider kann ich dir nicht helfen, denn du brauchst beide Hände.«
Ich taste die Wände ab. Ich suche Halt für einen Fuß.
Shelley sagt hinter mir: »Alex ist gestern durchgelatscht. Es ist dicke Lehmbrühe. Du bist nass bis über die Knie, wenn du das machst.«
»Wenn ich hineinplumpse, bin ich nass bis zum Hals«, gebe ich zurück. Oder bis über den Kopf, ein getauchtes Erdferkel, ich fühle den Matsch schon über mir zusammenschlagen.
»Du plumpst nicht hinein«, sagt Shelley.
»Okay, wenn du es sagst …« Tatsächlich schaffe ich die halbe Strecke, bevor ich abrutsche und nichts dagegen machen kann, es gibt keinen Tritt mehr. In letzter Not stoße ich mich vorwärts und Bonni streckt mir die Hände entgegen.
Es reicht nicht. Ein Bein taucht ein, das Knie des anderen schlägt auf harten Fels. Bonni zieht mich hoch. Mein Fuß war nur eine Sekunde drin, aber der Schuh ist nicht mehr zu erkennen, ich trage einen schweren braunen Stiefel bis zum Knie.
»Bist du in Ordnung?«, ruft Shelley.
»Glaube schon.« Ich lache nervös. Das Knie tut weh. Aber wenn schon - ich bin durch.
»Zurück will ich da nicht mehr«, sage ich, während Shelley gefährlich über dem Matschloch turnt.
»Brauchst du nicht. Wir finden den Haupteingang.«
Shelley schafft die schwierige Stelle und nimmt Lampe und Seil wieder an sich. Er hatte beides Bonni zugeworfen. Mit dem Erfolg, dass die Lampe nun wieder streikt.
Er zuckt die Achseln. »Ich probier’s mal ohne.«
Nun leuchte ich mehr nach hinten als nach vorn, damit auch Shelley etwas sieht. Es kommen immer wieder Wasserlöcher oder Engstellen, wo es ohne ausreichendes Licht überhaupt nicht geht. Zum Glück bleibt Bonni bei uns. Von seinem Bruder ist schon lange nichts mehr zu sehen.
»Der Idiot«, sagt Bonni zornig. »Der steckt seinen Kopf in jedes Loch. Man kann darauf warten, dass er mal einfach weg ist.«
Der Gang ist wie ein Schlauch mit großen und kleinen Ausbuchtungen und mit Verzweigungen, von denen Bonni immer der größeren folgt. Manchmal fällt ihm die Entscheidung schwer. Von Ecke hören wir hohle, hallende Rufe, die von allen Seiten zu kommen scheinen, oder wir sehen in der Ferne sein zuckendes Licht. Bonni brüllt nach ihm, aber das veranlasst ihn nicht, zurückzukehren. Hier unten, in diesem finsteren Röhrenwerk, klingen Brüllen und Lachen gleich. Und es hallt, sodass die Stimmen kaum voneinander zu unterscheiden sind.
In einer größeren Höhle wissen wir nicht, ob Ecke einem Gang nach unten oder einem anderen nach oben gefolgt ist. Der nach unten sieht aus wie eine Rutschbahn und verschwindet um eine Kurve, ein Abgrund könnte dort lauern. Der nach
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