Herzhämmern
geht es leider nicht mehr«, sagt er. »Wir hätten es vorher um dich wickeln müssen. Bonni stützt dich doch, oder?«
Meine Beine schlottern in Bonnis Händen, mein Knie schlägt gegen etwas Hartes, mein Bauch schlurrt über den steinigen Untergrund. Alles, was noch im Magen ist, wird nach oben massiert. Ich würge und schlucke. Wenn ich jetzt kotze, kann ich mich nicht mal bewegen. Mund zusammenpressen, auf die Zähne beißen. Es ist die Anstrengung, Shelley, nur die Anstrengung. Ich bringe es fertig zu grinsen. Wie ein Totenkopf. Dann schließt sich der Schacht um mich.
Bonni ruft dauernd: »Tritt suchen … mehr rechts … mehr links … jetzt abwärts …«
Im hellen Spalt über meinem Kopf erscheint Shelleys Hand mit meiner Stablampe. Ich greife zu und suche den Schalter. Ich brauche die Lampe sofort , das Außenlicht entfernt sich, jetzt ist es ganz weg, weil Shelley sich davorschiebt. Ich bin in der Erde gefangen. Meine zittrigen Finger finden den Schalter nicht.
»Mach deine Lampe an, ich sehe nichts!«, kreische ich nach hinten.
»Alles okay«, sagt Bonni, »ich fühle dich. Ich lasse dich jetzt los.«
»Nichts okay, ich sehe nichts!«
»Dann mach doch deine Lampe an! Ich hab kein Problem, es kommt ja noch Licht von außen.«
Ich drücke verzweifelt an der Stablampe herum, während Shelley schreit: »Alles weg da unten? Ich komme!«
Ich sehe seine Beine und merke, dass es meine Lampe ist, die das Licht gibt. Ihr Schein zuckt über enge, dunkle Wände und über die zappelnden Beine, die schräg über mir nach einem Halt tasten. Bröckchen von irgendwas treffen mein Gesicht.
»Fang das Seil, Martina!« Shelleys Stimme ist noch draußen, sie klingt dünn und fern. Das verschnürte Seil fällt an seinen Beinen vorbei und landet neben meinem Arm. »Hast du’s?«
»Ja!«, rufe ich. Was soll ich damit, ich muss mich auf Hände und Knie stützen und auch noch die Taschenlampe halten, wie soll ich das Seil nehmen? Zitternd hänge ich mir eine Schlaufe über den Unterarm. Das Seilpaket schleift nach, als ich rückwärtskrieche, um für Shelley Platz zu schaffen.
»Du kannst dich jetzt vorsichtig drehen, es geht«, sagt Bonni.
Bonggg . Mein Helm kracht gegen den Fels.
»Vorsichtig, hab ich gesagt! Und nicht aufrichten, das geht noch nicht.«
Enge Wände im Licht meiner Lampe, Bonnis geisterhaftes Grinsen. Er kauert auf allen vieren. »Fertig? Dann weiter im Kriechgang. Wenn du willst, kannst du dein Licht sparen, denn jetzt brauche ich meines.« Seine dunkle Gestalt wird von wechselnder Helligkeit umrissen, der Strahl seiner Lampe gleitet weit voraus und bricht sich an kantigen, niedrigen, gekrümmten Wänden, die ewig weiterlaufen und nirgendwo ankommen.
Wir kriechen leicht abwärts, immer tiefer in die Erde hinein, die mächtigen Felsen ruhen auf uns. Ich darf mir nicht vorstellen, dass die Decke nachgibt, ich muss mich beschäftigen, ich muss was denken, ich muss den Mund aufmachen und schreien. Ich schaue mich nach Shelley um und krache mit dem Helm gegen die Wand. »Wie soll ich denn das Seil mitnehmen?«, schreie ich.
»Lass es liegen«, sagt er. »Und häng dir die Lampe um. Dazu hat sie ja den Gurt.«
Shelleys ruhige Stimme tut mir gut. Und dass er so nah ist. »Kann die Decke nicht nachgeben?«, sage ich gepresst.
»Sie hat Jahrtausende gehalten«, meint er, »warum soll sie jetzt nachgeben.«
Verdammt, wie kann man so ruhig sein? Oder gar so bedenkenlos wie Ecke - der fährt in die Erde wie ein Bohrkopf!
»Bonni, wo ist eigentlich dein Bruder?«, brülle ich. Der da vor mir kriecht, scheint auch die Ruhe selbst zu sein.
»Keine Ahnung«, sagt Bonni. »Er wird an der ersten Gabelung auf uns warten.«
Unser Abstand vergrößert sich, ich kann nicht so schnell. Ich weiß nicht einmal, ob meine Handflächen noch heil sind. Alle Muskeln schmerzen von der gebeugten Haltung. Ich will mich aufrichten, nur wenigstens mal den Hals strecken, ohne irgendwo hinzudonnern!
Aber mir bleibt nichts anderes übrig, als gebückt weiterzukriechen. Der Fels wird jetzt nass. Meine Hände rutschen ab. Es fängt zu schmieren an.
Und plötzlich sehe ich nichts mehr. Bonni ist mit seinem Licht um eine Biegung verschwunden und Shelleys Lampe hinter mir ist auf einmal auch aus. Einen Augenblick starre ich in die absolute Finsternis, höre meinen Herzschlag und fühle das Gewicht der Lampe, die unter mir baumelt, und das Tonnengewicht der Felsen über mir. »Shelley, bist du noch da?«, flüstere ich. Meine
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