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Herzhämmern

Titel: Herzhämmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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oben gleicht einem Kamin und verengt sich zu einem Schlitz.
    »Mir ist schlecht«, sage ich.
    Shelley erschrickt. »Du hast ja kein Frühstück im Bauch!«
    »Quatsch.« Bonni schüttelt den Kopf. »Sie hat doch mit uns gegessen.«
    »Ich hab’s ausgekotzt«, kläre ich ihn auf. »Ich hab euch doch gesagt, dass ich am Morgen nichts vertrage!«
    »Hast du an die Schokolade gedacht?«, will Shelley wissen.
    Ich nicke. Sie steckt in der linken Brusttasche des Overalls. In der rechten ist das verschmierte Taschentuch.
    »Iss etwas!«, fordert er mich auf.
    Meine Übelkeit rührt aber nicht vom fehlenden Frühstück her, sondern vom Anblick der beiden Gänge und von der dumpfen Luft und der Schwere der Felsen. Aber als ein Riegel Schokolade in meinem Magen angekommen ist, geht es mir komischerweise doch besser. Shelley nimmt sich auch ein Rippchen der mehrfach zerbrochenen Tafel, Bonni zwei. Dann brüllt er wieder nach seinem Bruder.
    Für einen Moment sehen wir hinter dem senkrechten Spalt am Ende des Kamins einen Lichtschimmer, dann nichts mehr. Eckes Antwort ist nicht zu verstehen, es hallt zu sehr.
    »Los!«, sagt Bonni und beginnt, zum Spalt hochzuklettern.
    Da überrascht uns ein Licht im Rücken. Shelley und ich fahren herum. Hoch über uns ist ein Loch in der schrägen Wand, das ist hell erleuchtet und Ecke taucht gebückt darin auf.
    »Wie bist du denn da hinaufgekommen?«, rufe ich. Abgesehen von wellenförmigen Ablagerungen ist die Wand vollkommen glatt.
    »Da komme ich runter«, jubelt er. Sein Licht geht aus.
    »Ecke, du Blödmann!«, ruft Shelley und hechtet hinüber. Gerade rechtzeitig, um im Schein meiner Lampe Eckes Rutschfahrt mit beiden Armen abzubremsen. Es ist eine Bauchfahrt, und die Lampe, die Ecke sich auf den Rücken geworfen hat, knallt mit Wucht auf Shelleys Helm.
    »Der hat sie doch nicht alle«, murmelt Bonni. Sein Gesicht ist weiß. »Der ist doch … hirnamputiert!«
    Ich finde auch, dass Ecke seinen Verstand zu Hause gelassen hat. Falls er einen besitzt.
    Bonni baut sich vor ihm auf. »Und wenn Shelley dich nicht gebremst hätte, he? Was dann?«
    »Er hat mich aber gebremst.« Ecke lacht. »Wir sind ein eingespieltes Team, was, Shelley?«
    Shelley hat nichts dazu zu sagen. Er untersucht Eckes Lampe. Jetzt erinnere ich mich, dass es glitzernd gespritzt hat, als die Lampe auf seinen Helm schlug. Das Glas ist weg. Und die Birne dahinter auch. Die Lampe ist tot.
    »Hast du eine Ersatzbirne?«, sagt Bonni mit einem Unterton, den ich sonst nur von mir kenne.
    » Du sorgst doch von uns beiden für Ersatz«, antwortet ihm Ecke.
    Ich hasse Ecke. Und ich sehe Bonnis Lippen zittern, als er sagt: »Ich habe nur Batterien.«
    »Auf dich ist eben kein Verlass«, meint Ecke fröhlich.
    Anstatt es am Boden auszukämpfen, wendet sich Bonni wortlos von seinem Bruder ab. Er schnappt sich Shelleys Scheinwerfer. »Ich schraube deine Birne heraus, dir nützt sie ja nichts mehr.«
    Shelley verdreht die Augen. Jeder sieht, dass sein Scheinwerfer und Eckes Lampe niemals zusammenpassen können.
    Bonni probiert es trotzdem, natürlich umsonst. Da kreischt er los: »Was seid ihr bloß für Idioten! Und überall herumerzählen, dass ihr Höhlenforscher seid! Ich möchte mal einen Höhlenforscher mit so einer miesen Ausrüstung sehen! Und mit so wenig Hirn!«
    Jetzt ist er zu weit gegangen. Ecke hebt drohend die Hand. Sein Gesicht ist finster. Bonni wendet sich ab und stapft erbittert umher. Während Shelley wieder einmal an seinem defekten Gerät herummacht und den Wackelkontakt sucht.
    Martina Schlotterbein haben sie offenbar vergessen.
    Martina Schlotterbein zittert am ganzen Leib.

7
    I ch habe jedes Zeitgefühl verloren. Ich hatte es bereits verloren, als wir in der ersten Höhle standen. Hier unten gibt es keine messbare Zeit. Ich weiß nicht, wie alt dieses Gestein ist und wann es vom Wasser ausgehöhlt wurde. Hier zählt die Zeit nicht nach Stunden und Minuten, sondern nach Jahrmillionen.
    Meine Uhr liegt in meiner Reisetasche. Die steht in einer Herberge, vermutlich nicht sehr weit von hier, aber sie ist unerreichbar. Die Uhr, die Herberge, die Welt im Sonnenglanz.
    Bonni hat mir geraten, die Uhr nicht mitzunehmen, er würde seine eigene auch in der Herberge lassen. Ecke und Shelley tragen ihre Uhren in den Hosentaschen unter den Overalls. Dort sind sie gegen Schmutz und Bruch geschützt. Auf die Uhr sehen bedeutet: den lehmverkrusteten Reißverschluss des Overalls aufzerren, mit klammen Fingern in eine enge

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