Herzklopfen - Down Under (German Edition)
»Überall.« Er rieb sich über das Gesicht.
»Warum?« Tony trat näher, fixierte Jake forschend. »Was ist geschehen?«
»Chris Hunt wollte Nele nach der Strandfete nach Hause fahren«, erwiderte Jake mit Grabesstimme. »Dort ist sie jedoch nie angekommen. Hunt ist ebenfalls verschwunden.«
»¡Dios mío!« Tony kratzte sich am Kopf. »Chris Hunt sagst du? Das ist ein schlimmer Finger, wenn du mich fragst!«
Der Kelpie bellte zustimmend. Tony zog an seiner Leine. »Still Molly!«
»Wem sagst du das«, stieß Jake, mühsam seine Wut unterdrückend, hervor. Eindringlich blickte er den Hausmeister an. »Ich muss Nele unbedingt finden. Nur weiß ich ehrlich gesagt nicht, wo ich noch suchen soll.« Er stemmte die Hände in die Seiten. »Ich hab schon die ganze Stadt abgeklappert, war bei Hunt zu Hause. Keine Spur von den beiden.«
»Maldito. Und Policía?«
»Ist bereits informiert, soweit ich weiß.«
Einen Augenblick standen sie ratlos beieinander. Ein Pick-up kam vorbeigefahren. Laute Musik plärrte aus den heruntergelassenen Fenstern, und jemand rief ihnen lachend etwas zu. Jake und Tony ignorierten den Lärm. Vermutlich waren es ein paar arglose Spinner, die nachts auf den Straßen von Victor Harbor ihr harmloses Unwesen trieben.
»Ich werde auf jeden Fall die Augen offen halten«, versprach Tony. »Ich könnte mit Molly eine Runde in der Nachbarschaft drehen. Wenn ich irgendetwas höre oder sehe, verständige ich die Henleys.«
Aufmerksam stellte die Hündin die großen Ohren auf, während sie ihren Herrn wachsam musterte. Der intelligente Kelpi war einem Spaziergang nie abgeneigt, auch nicht mitten in der Nacht. Tony bückte sich zu ihr hinunter, um über das kurze, dichte Fell zu streicheln.
»Cool«, erwiderte Jake flach. Er hegte wenig Hoffnung, dass es den beiden gelingen würde, Nele ausfindig zu machen. Trotzdem – je mehr Leute sich auf die Suche machten, umso besser. »Danke, mate.«
»No worries«, murmelte Tony.
Jake blickte ihm hinterher, als ihn die Dunkelheit verschluckte.
*
»Chris.« Ihre Stimme klang unnatürlich hoch und schrill in ihren Ohren. Nele hatte keine Erfahrung in solchen Dingen, aber jetzt musste sie ihr Bestes geben. Sie musste um ihr Leben schauspielern. Sie musste so glaubwürdig wie möglich sein. Obwohl sich alles in ihr sträubte, ihm so nahe zu kommen, trat sie an ihn heran.
»Was ist?«
Unmerklich zuckte sie vor der Kälte und Schroffheit zurück. Trotzdem zwang sie sich zu einem Lächeln. »Ich, also ich …«, begann sie. Herrje, es war doch schwerer, als sie gedacht hatte. Sie brachte die Worte kaum über die Lippen. Wie sollte sie ihm eine derartige Lüge auftischen? Beherzt startete sie einen neuen Anlauf. »Ich … was ich dir sagen wollte …«
»Interessiert mich nicht«, unterbrach er sie barsch. »Schließlich sind wir nicht zum Quatschen hergekommen.« Seine Augen funkelten gefährlich. »Los, rein jetzt.« Er zerrte an ihrem Ärmel. Nur noch wenige Zentimeter trennten Nele von dem gruseligen, düsteren Loch.
»Ich mag dich«, schoss es aus ihr hervor.
Sofort ließ er sie los. »Was?« Er schrie das Wort hinaus. Ungläubig starrte er sie an, bevor sich sein Mund zu einem hässlichen Grinsen verzog. »Ja, klar. Und Schweine können fliegen. Verarschen kann ich mich selber, Bitch.« Leise fluchend schubste er sie weiter.
Nein. Sie durfte nicht zulassen, dass er sie einsperrte. Wagemutig warf sie sich ihm an die harte, muskulöse Brust, umschlang seine Taille. Sie spürte, wie sich seine Muskeln spannten, wie er erstarrte. Jetzt oder nie! »Ich meine es ernst, Chris. Ich mag dich«, log sie, jetzt mit festerer Stimme. Sie hob den Kopf, um ihm in die Augen sehen zu können. »Ich fand dich schon immer klasse, aber ich habe mich nicht getraut …« Sie brach ab.
Er packte sie an den Schultern, schob sie auf Armeslänge von sich. »Tatsächlich?« Um seinen Mund lag ein harter, verächtlicher Zug. »Das soll ich dir glauben? Ich denke, dass du nach diesem Kotzbrocken Stevens verrückt bist, Kleine. Ich bin doch nicht blind!«
Nein, das bist du leider nicht. Chris ließ sich nicht so leicht täuschen. Dann musste sie eben noch überzeugender sein. »Chris«, schmeichelte sie. »Ich will dir nichts vormachen. Lass es mich bitte erklären.« Mutig blickte sie ihm ins Gesicht, während ihr Puls vor Aufregung raste. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Angst lauerte in jeder einzelnen Pore ihres Körpers. Schreckliche Angst. Sie
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