Herzklopfen für Anfänger
Lage befreit hatte. Eine Frau, die sich um ihn kümmerte, und eine Mutter für sein Kind. Morgans Worte gingen mir durch den Kopf. Es bedeutete nichts. Wirklich nicht. Es war nur eine Schwärmerei. Es würde ihn umbringen, wenn du ihn verlassen würdest. Er brauchte gar keine Entscheidung zu treffen. Nein, auch das stimmte. Es gab nur eine einzige Frau, für die er mich verlassen würde, und sie befand sich ein paar Kilometer von hier tief unter der Erde. Nein, das stimmte auch nicht. Er konnte mich nicht für Tricia verlassen. Er hatte nämlich Tricia nie verlassen. Ich trank noch ein Glas Wasser und spülte diese Erkenntnis mit hinunter.
Dann ging ich wieder ins Bett und lag schlaflos da, bis die Sonne aufging. Die einsamste Frau der Welt.
Mit der Einsamkeit glaubte ich umgehen zu können, solange ich das Gefühl hatte, das Richtige getan zu haben. Sie war wie eine abgenutzte alte Decke, viel komfortabler als Schuldgefühle.
Das ging mir durch den Kopf, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Trotz meiner neu entflammten Gefühle für Nick war ich einen weiteren Schritt vom Abgrund zurückgetreten. Ich hatte das Versprechen gehalten, das ich Morgan gegeben hatte. Ich würde meine Ehe und meine Familie nicht aufs Spiel setzen, wie Jonathan es getan hatte. Für mich spielte Liebe keine Rolle. Ich würde bei meinem Mann bleiben und über Nick Brown hinwegkommen. Ich hatte meine Affäre beendet. Das Glück, so wie ich es kurz erfahren hatte, war eben kein von Gott gegebenes Recht.
Aber es fordert körperlichen Tribut, so stark und zuverlässig zu sein.
»Du lieber Himmel, siehst du beschissen aus«, erklärte Russell fröhlich, als wir um kurz nach elf im Büro an der Tür zu meinem Untersuchungsraum beinahe zusammengestoßen wären. Ich blieb einen Moment stehen, und er musterte mich eindringlich.
»Russell«, sagte ich schließlich. »Würdest du es eigentlich passend finden, mir im Vorbeigehen solche Kommentare zuzurufen, wenn ich erst einmal Leiterin von Amberley Park bin?«
»Absolut nicht«, sagte er und schob eine Hand in die Brusttasche seines Anzugs. »Aber mach dir keine Sorgen. Ich habe heute Vormittag mein Bewerbungsgespräch.« Ihm war der Posten des leitenden Optikers in Redhill angeboten worden, und es sah gut aus. Er tat so, als würde er davonfliegen. »Und dann bin ich hier weg.« Er stupste mich spielerisch an. »Na los, gib es schon zu. Ich werde dir fehlen, oder?«
Ja, dachte ich. Ja. Sehr.
»Bild dir bloß keine Schwachheiten ein«, erwiderte ich. »Glaub mir, ich zähle jetzt schon die Tage.«
»Nun, ich werde ihn kein bisschen vermissen«, schnaubte Ruth, als wir uns hinsetzten und gemeinsam die Sonderangebote durchgingen. »Nicht im Geringsten«, fuhr sie fort. »Es wird schön sein, endlich zur Arbeit kommen zu können, ohne dass jemand mir in den Ausschnitt glotzt, Kommentare über meinen Kleidergeschmack absondert und mir auf die Nerven geht.«
Ich seufzte. In der letzten Zeit konnte ich gar nicht mehr aufhören zu seufzen. Sah so meine Zukunft aus? Ein Leben voller bedauernder Seufzer? Würden sie mir ein kleines Denkmal errichten? Die geheimnisvolle Frau, die immer seufzte?
Aber ich konnte nichts dagegen tun. Es war, als ob der Kummer einen Weg aus mir heraus suchte. Ich musste an so vieles denken. Hatte so viele Gründe für Selbstmitleid. Es gab so viele Entscheidungen zu treffen, doch die einzige, die eine Rolle spielte, hatte ich bereits getroffen.
Verdammter Jonathan. Verdammt. Wie hatte er es nur zulassen können, dass Morgan das mit Constance Perkins herausgefunden hatte? Wie konnte er es wagen, damit eine Kette von Ereignissen in Gang zu setzen, die letztlich dazu führte, dass auch ich davon erfahren musste? Wie hatte er es überhaupt wagen können, mich zu heiraten?
Wie dumm von mir, dass ich ihn geheiratet hatte. Erneut seufzte ich.
»Ich finde das alles sehr beunruhigend«, sagte ich. »Alles verändert sich. Natürlich ist Fortschritt unvermeidlich, aber es ist trotzdem ein bisschen traurig.«
Ich redete wie auf Autopilot. Die Wörter flossen einfach so heraus. Ich spürte, dass meine Welt zusammengebrochen war. Morgan war weg, Kate würde auch bald weg sein. Merlin wurde alt, Ruth wechselte den Job, Russell ging gleich ganz weg, meine Mutter war mit ihren Protesten beschäftigt. Übrig blieben Jonathan und ich. Jonathan und ich.
»Nichts wird …«
Russell steckte den Kopf durch die Tür.
»Telefon für dich, Sally. Es ist Morgan.«
Natürlich hatte ich mit
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