Herzklopfen für Anfänger
anlegen. Top Secret. Die Nick-Brown-Affäre. Bei dem Gedanken muss ich unwillkürlich lächeln.
Mum reicht mir die Zeitung. »Nichts«, sagt sie. »Kein Pieps! Und dabei hat der Journalist so angegeben mit seiner Medienkampagne. Jetzt ruft er noch nicht einmal mehr zurück. Wahrscheinlich hält er mich für eine lästige alte Schachtel. Für jemanden, der sich in fremde Angelegenheiten mischt, die ihn nichts angehen. Warum ist das den Leuten nur so egal?« Sie zeigt in meine Richtung. »Es steht auf Seite elf. Tasse Tee?«
»Ja, bitte«, antworte ich und blättere durch die Seiten.
»Und ein Leckerli für dich, Merlin?« Sie krault ihn am Kopf, und er trottet hinter ihr her in die Küche.
Das Foto ist gut getroffen. Meine Mutter hält ein hastig geschriebenes Plakat hoch, und neben ihr steht eine Frau mit dicken Stiefeln und einem übergroßen Scheck über hundert Pfund in der Hand. Ich erkenne Polly. Ein paar von Mums Nachbarn drängen sich um den Eingang, und ganz am Rand steht ein kleines Mädchen mit großen Augen, das eine Barbie am Bein hält.
»Von wem ist der Scheck?«, frage ich.
»Oh, von einem der Schuhgeschäfte im Arndale Centre, Gott segne sie. Eine der Mütter, Kayleigh, arbeitet dort halbtags. Aber es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir müssten Tausende von Pfund sammeln, wenn Polly eine realistische Chance haben soll, das Haus zu kaufen.« Sie kommt wieder ins Wohnzimmer und trocknet sich die Hände an einem Küchenhandtuch ab. »Hast du den Artikel gelesen?«
»Das Haus kaufen? Hofft sie darauf?« Mum nickt. »Das scheint mir ein ziemlich ehrgeiziges Projekt zu sein. Diese Häuser sind doch bestimmt eine Viertelmillion wert.«
»Ich glaube, sie hofft auf einen Lotteriegewinn. Sie hat auf jeden Fall gespielt. Man weiß ja nie.« Mum setzt sich neben mich aufs Sofa. »Ach, ich weiß, dass das nur Luftschlösser sind, aber wenn wir wenigstens ein paar Leute dafür interessieren könnten. Diese armen Frauen, Sally. Du kannst froh sein, dass du einen anständigen Mann geheiratet hast. Und was diese armen Kinder durchgemacht haben – da stockt dir das Blut in den Adern.« Sie tippte mit dem Finger auf das Foto. »Das ist die kleine Megan, Traceys Tochter. Sie ist ein solches Schätzchen. Auf jeden Fall haben wir beschlossen, uns nicht auf die Presse zu verlassen. Wir werden eine Petition verfassen und Tausende von Unterschriften sammeln.«
Ich stelle mir vor, wie meine Mum vor Debenhams die Kunden belästigt. Das erste Mal wäre es nicht.
»Das ist eine gute Idee, Mum«, sage ich. »Damit erregst du viel Aufmerksamkeit. Und es wird auch auf deinen Parlamentsabgeordneten Eindruck machen.«
Sie schüttelt den Kopf und grinst mich an. Dann geht sie wieder in die Küche. Ich folge ihr. Das Wasser hat schon gekocht, und der kleine Raum steht voller Dampf. Auf der Fensterbank viele Blumentöpfe, in denen Usambaraveilchen in verschiedenen Blühstadien wachsen.
Sie gießt Milch in zwei Becher. »Oh, mit ihm halte ich mich gar nicht erst auf. Ich gehe direkt nach ganz oben. Ich reiche die Petition bei Tony Blair ein.«
Ich erwidere ihr Grinsen.
»Einfach so?«
»Einfach so«, sagt sie fest. »Persönlich. Komm, lass uns einen Tee trinken, und dann gehen wir spazieren. Und du erzählst mir von deiner Reise.«
Als ich nach Hause kam, stand Jonathans Auto in der Einfahrt, und er saugte es gerade aus. Das war ein schlechtes Zeichen. Wenn Jonathan saugte, war er nicht glücklich. Jonathan benutzte den Staubsauger, wenn andere Leute ihre Frustrationen an Squash-Bällen oder bei Schlangen in der Post ausließen. Wäre er glücklich gewesen, hätte er im Garten gesessen und den Sportteil gelesen. Seit ich aus Wales zurückgekehrt war, hatte ich nur kurz mit ihm telefoniert, bevor ich zu meiner Mutter fuhr. Und dabei war mir der alarmierende Gedanke durch den Kopf gegangen, dass meine Stimme seltsam klang und er das bestimmt hören konnte.
Da stand mein Mann. Der Mann, mit dem ich verheiratet war und der gerade aggressiv knurrte, weil er auf seiner Automatte einen Teerfleck entdeckt hatte. Der Mann, mit dem ich seit fast achtzehn Jahren verheiratet war. Und ich dachte nur, was es für eine Katastrophe war, dass ich so empfand.
Merlin, der während der Fahrt hinten im Auto gedöst hatte, sprang heraus und lief auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Jonathan blickte auf.
»Hallo«, sagte ich fröhlich. »Wie geht es dir?«
»Ah«, sagte er, ließ die Matte zu Boden fallen und fuhr sich mit dem
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