Herzklopfen für Anfänger
Art.«
Ich wusste schon.
»Und bevor du etwas sagst – das wolltest du nämlich gerade: Es ist keine Besprechung oder so.«
Ich hielt mir die Kaffeetasse vors Gesicht und versuchte, den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken. Ja, natürlich, ich war verheiratet, und er war mehr oder weniger verheiratet, und ich glaubte sowieso nicht an Untreue, und deshalb sollte ich besser keinen Gedanken an ihn verschwenden, wohingegen es für Ruth, eine freie Frau, ganz normal war, solche Fantasien über ihn zu haben. Zum Glück hatte sie keine Ahnung, wie ich für ihn empfand. Und sie durfte schließlich ausgehen, mit wem sie wollte. Oh, das Ganze wurde langsam unangenehm und schrecklich. Warum konnte ich nicht einfach aufhören? Warum nicht?
»Ich habe ihn nämlich gefragt«, fuhr sie fort, als erwarte sie, dass ich mindestens zehn Gegengründe anführen würde. »Ich sagte: ›Oh, eine Besprechung oder so?‹ Und er hat Nein gesagt. Um genau zu sein, sagte er: ›Nein, keine Besprechung. Nichts dergleichen. Nur Mittagessen. Nur wir zwei. Wenn das okay ist?‹ Und er stellte die Frage auf eine so offensichtliche Art. Ich sagte also: ›Ja, natürlich‹, und er meinte: ›Großartig. Das ist großartig.‹ Und dann sagte er, er sei Freitagmorgen nicht im Haus. Ob es in Ordnung wäre, wenn er mich gegen zwölf Uhr dreißig abholen käme. Er kommt mich abholen, Sal! Wow! Und geht mit mir essen! Ich habe natürlich Ja gesagt, und so ist es jetzt. Mittagessen! Freitag! Glück und Freude!«
Und dann ins Bett? Das war es also. Das war der Tag, an dem ich gezwungen war zu akzeptieren, dass das Gefühl, vor dem ich mich gefürchtet hatte, schließlich bei meiner Ehe angekommen war. Denn mein einziger Gedanke in diesem Moment war: »Du kannst nicht mit ihm schlafen! Er gehört mir!«
Das war einfach absurd. Ich musste mich wirklich zusammenreißen. Aber es fiel mir schwer, weil das alles so wenig greifbar, so falsch war. Ich ließ den Rest meines Omeletts auf dem Teller liegen – und dabei mochte ich diese Art von Kantinenessen eigentlich gern. Geduldig lauschte ich Ruths ausschweifendem Monolog: Dass sie nichts zum Anziehen hatte. Ob sie sich für diese Gelegenheit wohl etwas Neues kaufen sollte.
Was sie an verführerischen Kleidern besaß, hatte sie in der letzten Zeit in der Arbeit getragen, um unsere kurzsichtigen männlichen Kunden ebenso wie den fraglichen Mann zu beeindrucken.
Als wir schließlich zum Chaos in der Optik-Abteilung zurückkehrten – zu allem Überfluss hatten wir auch noch Prozentwochen –, konnte ich mir lebhaft vorstellen, was am Freitagmorgen in der Kleiderfrage auf mich zukommen würde.
Ich hatte ihn nicht gesehen. Ich hatte Nick Brown nicht gesehen und auch nicht gesprochen, seit der Krankenwagen in jener Montagnacht mit ihm weggefahren war. Nun lief er mir natürlich prompt über den Weg. Kaum zehn Minuten später im Flur, auf dem Weg ins Lager. Mittlerweile jedoch war ich wegen der Geschichte so gestresst, dass ich es nicht über mich brachte, ihn zu rufen, um ihn zu fragen, wie es seiner Rippe ging. Stattdessen verschwand ich in der Damentoilette, bevor er mich sehen konnte, dankbar dafür, dass er in die andere Richtung ging, sodass ich nur seinen Rücken zu sehen bekam. Danach ging ich mürrisch weiter meiner Arbeit nach und beriet einen Mr Pleasance, der nicht nur ein ziemlich offensives Verhalten an den Tag legte, sondern auch noch offensiv roch. Als ich schließlich aus dem Untersuchungsraum herauskam, teilte man mir mit, meine Mutter habe angerufen. Ich solle sie sofort zurückrufen, da sie wichtige Neuigkeiten hätte. Also rief ich sie an.
Sie war außer Atem, deshalb fragte ich sie, ob alles in Ordnung sei.
»Ja, warum?«, keuchte sie.
»Weil du so klingst, als hättest du gerade einen riesigen Fisch gefangen.«
»Oh nein, Liebes. Ich habe nur gerade meinen Drachen praktiziert.«
»Deinen was?«
»Es ist eine Schrittfolge«, erwiderte sie.
»Ich dachte, Tai-Chi sei sanft, nicht anstrengend und eher spirituell?«
»Nicht in meinem Alter und nicht, wenn du Esther Rantzen zuschaust, Liebes. Vielleicht sollte ich wieder Yoga machen. Auf jeden Fall …«
»Ja, genau.« Ich reagierte langsam gereizt. »Was gibt es denn so Dringendes? Ich bin in der Arbeit.«
»Es gibt ein paar aufregende Neuigkeiten.«
»Und?«
»Ich darf meine Petition beim Premierminister persönlich abgeben. Bei der Labour Party habe ich mit einem sehr netten Mann gesprochen. Er sagte, das sei überhaupt kein
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