Herzklopfen für Anfänger
Handrücken über die Stirn. »Ah. Da bist du ja endlich. Wie geht es deiner Mutter?«
Warum fragte er nicht einfach, wie es mir ging? Warum nicht? Ich zupfte an Merlins weichen Ohren.
»Sie ist aufgebracht«, erwiderte ich. »Wegen des Frauenhauses. Sie will Tony Blair einen Besuch abstatten.«
Er verdrehte die Augen. »Was?«
Ich zuckte mit den Schultern und holte meine Reisetasche aus dem Kofferraum.
»Du kennst doch Mum«, sagte ich. »Sie macht keine halben Sachen.«
»Nein, leider nicht«, erwiderte er. »Glaubt sie wirklich, sie kann einfach in die Downing Street gehen und ihn sich schnappen?« Kopfschüttelnd wandte er sich wieder seinen Matten zu.
»Ja«, sagte ich. Sein Benehmen ärgerte mich auf einmal. »Ja, sie kann. Und ich bin sicher, sie geht dorthin. Wenigstens tut sie etwas Nützliches.«
»Na ja, ist auch egal«, erwiderte er und widmete sich wieder seinem Staubsauger. »Was deine Mutter angeht, überrascht mich nichts mehr. Meinst du, ich könnte einen Tee bekommen?«
11
Mein Gott, mein Gott, mein Gott, mein Gott!«
»Ruth, du bist doch überhaupt nicht religiös. Warum rufst du die ganze Zeit Gott an?«
Es war Dienstag in der Woche darauf, um die Mittagszeit. Es war ein anstrengender Vormittag gewesen. Drug-U-Like sorgte dafür, dass wir mehr Termine hatten als vorher. Und um diese Jahreszeit war sowieso mehr los als sonst, weil alle Leute Sonnenbrillen brauchten. Drug-U-Like wollte den Andrang noch verstärken, indem sie Hunderte von Brillengestellen verschenkten. Mir war klar, dass meine zwanzigminütige Mittagspause in der Personalkantine bedeutete, dass der Nachmittag noch hektischer werden würde. Ruth schob ihr Tablett an meins und griff nach einem Glas.
»Habe ich das behauptet?«, fragte sie, zog einen Fünfer aus ihrem prall gefüllten Portemonnaie und warf die Münze auf die Theke. »Dann habe ich gelogen, Sal. Ich habe einen aufrichtigen und unerschütterlichen Glauben.«
Die Frau an der Kasse schniefte. Ich trug mein Tablett zum nächstgelegenen freien Tisch und setzte mich vorsichtig. Mein Hinterteil tat weh. Es war schon eine ganze Woche her, und mein Hinterteil tat immer noch weh. Und was noch schlimmer war: Mein Kopf schien völlig durcheinandergeraten.
»Seit wann?«, fragte ich.
Ruth drehte ihr Handgelenk und schaute auf die Uhr. Ihr Busen, über den sich immer etwas sagen ließ, bebte bedrohlich in ihrem Ausschnitt wie Popcorn in einer Popcorn-Maschine auf der Kirmes. Sie stellte ihr Tablett ab und setzte sich mir gegenüber. Atemlos strahlte sie mich an. »Seit fünf Minuten. Ich weiß, ich bin natürlich eine sündige Novizin und so, aber ich sehe ein Leben voll guter Taten, vernünftiger Schuhe und Spiritualität förmlich vor mir. Vielleicht gehe ich sogar wieder in die Kirche. Ja, das könnte sein.« Sie biss in ihr Baguette und kaute hungrig. Dabei blieb das hingerissene Lächeln auf ihrem Gesicht.
»Tja«, sagte ich, »die Kirche weiß hoffentlich, auf was sie sich da einlässt. Aber warum auf einmal?«
Ruth legte das Baguette auf den Teller und wischte ein paar Krümel aus ihrem Ausschnitt.
»Na, warum wohl, du Schlafmütze? Er ist gerade hereingekommen. Hast du ihn etwa nicht gesehen? Wegen einer Sitzung oder so. Und weißt du was? Er hat mich zum Essen eingeladen. O Freude, o Glück. O ungezügelte Lust!«
Aha. Er. Nein, ich hatte ihn nicht gesehen. Kurz blieb mir die Luft weg, als hätte mir jemand in den Magen geboxt. »Wer ist gekommen?«, fragte ich.
»O Sally! Sei doch nicht so begriffsstutzig. Nick Brown. Wer sonst? Gerade eben.« Sie hielt mir ihr Handgelenk hin. »Gott, Sal. Kneif mich. Kneif mich fest. Vielleicht habe ich es nur geträumt, oder? Fest. So.«
Ich kniff sie. »Sei nicht so albern«, sagte ich. »Und? Wann? Wo?«
»Am Freitag. Zum Mittagessen. Er sagte – oh, was für ein glücklicher Tag, Sal! Er kam in mein Büro und sagte: ›Ah, Ruth, ich habe Sie gesucht.‹ Er war ganz verlegen. Na ja, nicht richtig verlegen, aber so ein bisschen schüchtern, du weißt schon. Ein bisschen … ach, du kennst doch diesen Ausdruck auf seinem Gesicht.«
Ja, ich kannte ihn.
»Und er sagte: ›Haben Sie Freitagmittag schon etwas vor?‹ Und ich erwiderte: ›Gott, nein. Wie kommen Sie darauf?‹ Nein, das sagte ich natürlich nicht. Ich erwiderte: ›Warten Sie, ich muss nachsehen, aber ich glaube nicht. Nein, ich habe nichts vor. Warum?‹ Und dann sagte er: ›Können wir zusammen Mittagessen gehen?‹ Du weißt schon, in seiner netten
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