Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!
legte ihm entschlossen die Hand auf die Schulter. Der Stallgeruch breitete sich langsam in der Bar aus. »Kann ich Ihnen helfen?«
Der Bauer drehte sich langsam um und starrte Tacke mitzusammengekniffenen Augen an. Er hob seinen Arm und deutete unsicher auf ihn.
»Du warss dabei. Ich will mein Ge…Geld. Ssofort. Ich geh nich wweg.«
Dennis Tacke trat einen Schritt zurück und musterte den Mann von Kopf bis Fuß. Mit eisigem Blick sagte er: »Sie sind betrunken und Sie haben sich anscheinend im Lokal geirrt. Sie gehen jetzt sofort nach Hause, sonst rufe ich die Polizei.«
Der Bauer stierte ihn weiter an. »Ja. Hol die Polissei. Dann sag ichs denen. Das is Betruch.«
Er stolperte auf Tacke zu, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit lautem Krachen in den Gang.
Finchen und Frau Pieper schrien auf, während Ulrich Pieper und Michael Kruse von ihren Plätzen sprangen, um zu helfen. Gemeinsam hoben sie den Mann auf und schleppten ihn langsam zum Ausgang. Dennis Tacke bewegte sich keinen Meter, sah dem Betrunkenen, der jetzt auch noch seine Retter anpöbelte, ungerührt nach und wandte sich dann an die Gäste in der Bar.
»Ich hoffe, er hat sie nicht belästigt«, sagte er locker. »Es ist fürchterlich, wenn man nicht mit Alkohol umgehen kann. Na ja, irgendeiner wird ihn ja wohl kennen und nach Hause bringen. Also dann, schönen Abend noch und bis morgen.« Er drehte sich auf dem Absatz um und folgte dem Bauern, der von Pieper und Kruse durch den Flur getragen wurde.
Heinz sah zu Walter, der auf dem Bierdeckel noch eine Notiz hinzufügte.
J ohanna lag mit offenen Augen auf dem Rücken und starrte in die Luft. Der Wecker zeigte 4 Uhr und sie war hellwach. Das passierte fast jede Nacht, völlig egal, wann sie ins Bett gegangen war. Immer um 4 Uhr. Jede Nacht, seit Max ausgezogen war. Normalerweise stand sie dann auf, kochte sich einen Tee, setzte sich in ihren alten Sessel im Wohnzimmer und dachte nach. Über sich, über das Leben, darüber, wie sie sich Max gegenüber verhalten sollte, über ihren Job, über die Vergangenheit, über die Zukunft. Nach einer Stunde schlief sie meist im Sessel ein und wachte morgens durchgefroren und mit steifem Hals wieder auf.
Jetzt aber lag sie neben Tante Finchen in einem Hotel am Ende der Welt, weit weg von ihrem alten Sessel und ihrem Wasserkocher, und war trotzdem hellwach. Früher hatte sie es schön gefunden, mitten in der Nacht aufzuwachen. Sie hatte auf ihren Wecker geblickt und sich gefreut, noch stundenlang schlafen zu können. Dann hatte sie sich an Max geschmiegt und die Augen wieder geschlossen. Und sich umarmt und beruhigt gefühlt.
Jetzt waren diese Stunden die schlimmsten, endlos, dunkel und anstrengend. Johanna seufzte leise.
Finchen redete im Schlaf. Johanna verstand nicht alles, vertrieb sich aber die Zeit damit, herauszufinden, zu welchen Träumen Sätze wie »Ich kann Ihnen dieses Haus nicht allein bauen, ein bisschen Hilfe bräuchte ich schon« oder»Lassen Sie mich mal durch, ich muss die Gruppe retten« passten. Vermutlich fuhr Finchen die ganze Nacht Bus.
Johanna drehte sich zu ihr. Ihre Tante lag auf dem Rücken, trug ein dunkelrotes Nachthemd mit voluminösem Kragen und hatte die Hände auf der Decke gefaltet.
Ihr Gesicht glänzte im Halbdunkel. Die Menge an Nachtcreme, die sie benutzte, brauchte wohl auch acht Stunden, um komplett einzuziehen. Sie kämmte sich jeden Abend und fixierte die Frisur anschließend mit Haarklammern.
»Weißt du, Liebes«, hatte sie gesagt, während sie ihre Hände sorgsam eincremte, »wenn ich mir nicht jeden Abend so viel Mühe geben würde, hätte ich auch bald ein Gesicht wie diese Frau Hollenkötter. Willst du das?«
Johanna hatte nur den Kopf geschüttelt. Frau Hollenkötter war nicht nur zehn Jahre jünger, drei Köpfe größer und etwa fünfzig Kilo schwerer als Tante Finchen, sie war auch noch rothaarig und sehr blass. Johanna bezweifelte, dass man die Unterschiede mit handelsüblicher Kosmetik begründen könnte. Aber Finchen wollte auch gar keine Antwort, sie hatte sich zufrieden seufzend ins Bett gelegt und war keine drei Minuten später eingeschlafen.
Jetzt war es zehn nach vier. Johanna schob einen Arm unter ihren Nacken und winkelte ein Bein an. Vielleicht könnte sie auch im Liegen nachdenken. Zum Beispiel darüber, wie sie die Reportage machen würde. Es war zu schade, dass kein Fernsehteam den bunten Abend gefilmt hatte. Johanna sah wieder den derangierten Kock vor sich, der mit hochgereckten Armen
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