Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!
Zeigefinger Lippenstift vom Schneidezahn. »So, ich bin fertig. Du kannst duschen.«
Johanna drehte sich zur Seite, um Finchen vorbeizulassen. Sie sah zu, wie ihre Tante einen dunkelblauen Samthut aufsetzte. »Der ist aber schön.«
»Ja«, stimmte Finchen ihr zu und musterte sich abschließend im Spiegel. »Wobei man zugeben muss, dass dieses teure Stück hier ist, wie Perlen vor die Säue zu werfen.«
»Josefine!«
»Ist doch wahr.« Finchen nestelte noch einmal an derHutnadel, bevor sie sich zu ihrer Nichte umdrehte. »Du warst ja so nett und hast nichts gesagt, aber diese Geschichte gestern Abend, das war wirklich zu viel. Dieses Lied … also wirklich. Und das Allerschlimmste waren diese … Damen, die am Tresen nach mehr Musik gerufen haben. Um dann miteinander Standard zu tanzen. Diese Blondgefärbte aus dem Rheinland hat immer den Mann gemacht. Gruselig.«
»Die hat eine Enkelin namens Chiara.« Johanna verbiss sich jeden weiteren Kommentar.
»Das wundert mich nicht. Na ja, es hilft ja nichts, die Gruppe ist leider nicht sehr sorgsam zusammengestellt. Ich bin froh, dass die beiden Sylter dabei sind. Und das Ehepaar Pieper, die sind auch nett. Aber den Rest, den kann man ja wohl vergessen. Wenigstens lernen wir nachher die Schlei kennen. So, und jetzt gehe ich frühstücken. Willst du wirklich nichts essen?«
»Nein.« Johanna stieß sich vom Türrahmen ab. »Ich mache mich in Ruhe fertig und komme dann nach. Wann fährt der Bus los?«
»Um zehn. Also bis gleich.«
Johanna schloss die Tür hinter Finchen und griff zu ihrer Tasche. Sie wollte unbedingt wissen, ob sie die Aufnahmen von gestern würde verwerten können. Mit viel Glück hatte sie sogar den besoffenen Bauern drauf. Und anschließend sollte sie sich mit den anderen gutsituierten Senioren unterhalten. Mit dem netten Heinz würde sie beginnen. Bei ihm müsste sie noch nicht mal lügen.
Heinz kämmte sich schnell über die Haare und schob den Kamm anschließend in die Hosentasche.
»Walter? Bist du fertig?«
Sein Schwager antwortete nicht, stattdessen kauerte er andem zu kleinen Tisch und schrieb in sein Notizbuch. Seine Lippen bewegten sich lautlos, seine Stirn war gerunzelt.
»Was machst du da? Ich denke, wir wollen gehen. Walter?«
Heinz tippte ihm auf die Schulter, erschrocken fuhr Walter hoch. »Was …?«
»Frühstücken.« Neugierig beugte Heinz sich über die beschriebenen Seiten, er konnte kein einziges Wort entziffern. Walter schrieb immer winzig klein, um die Bleistiftmine nicht zu schnell zu verbrauchen. »Wir wollten frühstücken gehen. Was schreibst du denn da? Kannst du das eigentlich lesen?«
»Natürlich.« Walter warf einen prüfenden Blick auf die Seiten und danach auf seinen Schwager. »Sehr gut sogar. Ich habe eine ganz klare Handschrift, das haben schon alle Kollegen damals gesagt. Vielleicht hast du eine falsche Brille. Von wegen, deine Augen sind stabil geblieben. Du solltest die mal testen lassen.«
»Die sind gut. Aber was schreibst du denn überhaupt?«
Walter lehnte sich auf dem Stuhl zurück und ließ seinen silbernen Drehbleistift zwischen Daumen und Zeigefinger federn. »Zum einen habe ich eine Liste der Kosten erstellt, die hier auf uns zugekommen sind. Also die Getränke, die Telefongebühren, das Toilettengeld und so weiter. Und die wird sich ja noch verlängern.« Er hielt ein Blatt Papier hoch. »Das hier ist Anlage K, wie Kosten. Und dann habe ich meine Notizen von gestern Abend übertragen. Ich hatte ja nur Bierdeckel zum Schreiben, das wollte ich rasch noch ordnen. Bevor ich etwas vergesse.«
Er stoppte seinen Redefluss und sah Heinz an. »Du bist ja schon gewaschen und rasiert. Dann können wir auch gehen. Ich habe Hunger.«Johanna nahm zufrieden die Kopfhörer ab und schaltete das Gerät aus. Das war doch schon mal ein guter Anfang. Sie schob es wieder in ihre Handtasche und steckte das Notizbuch und zwei Kugelschreiber dazu. Natürlich würde sie nachher ihre Interviews ganz unauffällig führen. Zum einen wollte sie keinen Ärger mit Dennis Tacke, zum anderen würde Finchen durchdrehen, wenn sie mitbekäme, dass ihre Nichte hier auf der Pirsch war.
Sie zog die Zimmertür hinter sich ins Schloss und stieg die enge Treppe hinunter. An der Rezeption, hinter dem Tresen, stand ein junges, pummeliges Mädchen, das sie gestern noch nicht gesehen hatte.
»Guten Morgen.« Johanna blieb vor ihr stehen und lächelte sie an. »Ich habe eine Frage.«
Das Telefon klingelte.
»Moment, bitte.« Das
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