Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!
bemerkt haben, er geht Ihnen gerade mal bis zur Nase. Das kann ein Typ wie Tacke überhaupt nicht ertragen. Also sind Sie seine Feindin. Außerdem hat er gestern Abend bei uns am Tisch gefragt, ob wir uns vorstellen könnten, was eine junge Frau wie Sie dazu bringt, an einer Fahrt teilzunehmen, die sich doch eigentlich an Senioren richtet. Ihre zarte, kleine Tante könne Sie doch wohl nicht dazu gezwungen haben.«
»Das hat er Sie gefragt?« Johanna war fassungslos. »Das ist ja eine Unverschämtheit.«
»Genau«, pflichtete ihr Annegret bei. »Das haben wir ihm auch gesagt. Nicht wörtlich natürlich. Also, ich habe ihm gesagt, dass es ihn überhaupt nichts angeht, und die reiche Frau Meier aus Papenburg hat ihm erklärt, dass sie auch lieber einen hübschen jungen Neffen statt ihrer älteren Schwester mitgenommen hätte. Daraufhin haben sich die Schwestern in die Haare gekriegt und Tacke ist gegangen. Ich sage Ihnen: Er ist ein Idiot. Aber wir müssen jetzt zum Bus, sonst fahren die wirklich ohne uns weiter. Und ich will unbedingt in Kappeln die Praxis vom Landarzt sehen. Das war eine meiner Lieblingsserien, deshalb wollte ich auch unbedingt mit. Hier ist das alles gedreht worden, wussten Sie das?«
Johanna kannte die Serie noch nicht einmal und hatte außerdem Mühe, das, was sie gerade gehört hatte, zu verkraften. Tacke konnte sie also nicht leiden. Nun gut. Sie ihn auch nicht. Wenn diese Wachsfrisur Ärger wollte, dann sollte sie ihn kriegen. An Johanna sollte es nicht liegen. Sie beeilte sich, Annegret zu folgen, und sagte, als sie wieder auf ihrer Höhe war: »Das war ein nettes Gespräch, Frau Töpper, das sollten wir beim Mittagessen vielleicht fortsetzen.«
»Gern.« Ihre Absätze knirschten auf dem Kiesweg. »Ich habe auch keine Lust, immer nur mit diesen alten Weibern zu essen. Sie reden nur über tote Ehemänner, über Sauerbratenrezepte und ihre Krankheiten. Das macht mich ganz bekloppt.«
Sie waren die Letzten, die in den Bus stiegen. Johanna fand Dennis Tackes Blick giftig und überlegte, ob ihr das auch ohne das Gespräch mit Annegret Töpper aufgefallenwäre. Vermutlich nicht. Sie war anscheinend keine gute investigative Journalistin und Chiaras Großmutter war, trotz der scheußlichen Blondierung, eine kluge Frau. Johanna gelobte sich Besserung.
D er Bus nahm jetzt Kurs auf Kappeln. Michael Kruse wechselte sich mit Dennis Tacke am Mikrofon ab. Während Kruse mit wachsender Begeisterung über die Geschichte des Fischfangs, über Heringszäune und Seefahrer referierte, ergänzte Tacke in den Pausen die wirklich wichtigen Informationen.
»Wenn Sie bitte einmal rechts an dieser wunderschönen Mühle vorbeisehen, dann entdecken Sie ein weißes Haus mit blauen Fensterrahmen. Das gehört Ben Bommer.«
Ein Raunen ging durch den Bus. Fragend sah Johanna sich um, sie hatte diesen Namen noch nie gehört. Heinz half. »Ein Schlagersänger«, flüsterte er durch die Lücke zwischen den Sitzen. »Sehr beliebt. Der hatte einen ganz großen Hit, warten Sie, mir fällt gleich die Melodie ein.«
Er musste nicht lange überlegen. »Du bist zu schön, um wahr zu sein, ich wär mit dir jetzt gern allein«, tönte es lautstark aus weiblichen Kehlen. Heinz summte lächelnd mit. »Das kennen Sie doch auch, oder?«
Johanna hörte es zum ersten Mal.
Dennis Tacke wartete die erste Strophe ab, dann hob er die Hand. »Ich merke schon, dass es sich um eine musikalische Reisegruppe handelt. Vielen Dank. Aber Ben Bommer ist nicht der einzige Prominente, der den Zauber der Schlei für sich entdeckt hat. Auf der rechten Seite liegt ein Hof, gleich hinter der Bushaltestelle, ein bisschen langsamer, bitte, Herr Kock. Jetzt sehen wir die Einfahrt, ja,da, genau dort wohnt die Schauspielerin Marita Kessler mit ihrer Familie.«
»Die Kessler.« Finchen wiederholte verächtlich, aber leise den Namen. »Furchtbare Person. Hat Talent wie ein Weißbrot.«
Trotzdem wurde wieder geraunt. Dieses Mal hatte Johanna wenigstens ein Bild vor Augen: groß, blond, dünn und um die sechzig. Wenig Ähnlichkeit mit Weißbrot, aber Finchen bescheinigte lebenden Schauspielerinnen ohnehin nur selten Talent. So war sie eben.
Dennis Tacke kam in Fahrt. »Sie kennen sie alle, eine Vollblutdarstellerin, die jeden von uns schon zum Weinen gebracht hat.«
»Mich nicht.« Walter machte sich von hinten bemerkbar. »Ich weiß nicht, wen das interessieren soll. Solange uns dieser Bammel nicht zum Kaffee einlädt, ist mir völlig egal, wo der
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