Herzschlagmelodie - Band 1
So konnte ich die Teller und Gläser ausräumen, mit einem Putzlappen über den Tisch wischen und die Krümel zusammenfegen. Danach setzte ich mich in den Garten, trank etwas Wasser und beobachtete die Wolken, die über mich hinwegzogen.
Die Zeit verging und ich war mir nun sicher, was ich Henry sagen würde, als Candra und Sophie plötzlich zu mir in den Garten kamen.
„Hey … guten Morgen!“ Sie wirkten gut ausgeruht, ausgeruhter als ich mich fühlte.
„Guten Morgen, ihr beiden. Habt ihr gut geschlafen?“, fragte ich sie und versuchte dabei meine Nachdenklichkeit mit einem Lächeln zu überspielen.
„Ja.“ Candra setzte sich auf eine Liege links von mir und Sophie nahm auf der rechts von mir Platz.
„Hat Henry eigentlich noch mit dir gesprochen?“, wollte Sophie wissen. Sie wirkte nicht besonders glücklich, als sie mich das fragte. Ich konnte mir denken warum. Henry sollte sich ruhig für Sophie entscheiden. Sie war ein liebes und kluges Mädchen. Bildschön, mit großen Augen und vollen Lippen.
Sie und Henry … ja, sie wären ein tolles Paar.
„Ja.“ Ich fasste mich kurz. Darüber wollte ich nicht sprechen. Allein schon darüber nachzudenken, machte mich nervös. Immer wieder tauchten die Bilder vor meinem inneren Auge auf, wie er mich küsste und anlächelte. Ich bildete mir ein, seine Lippen erneut auf den meinen zu spüren und biss unwillkürlich auf ihnen herum.
„Und?“ Candra war sonst nicht so neugierig, aber als sie sich vorbeugte und mich mit großen Augen musterte, ahnte ich nichts Gutes.
„Was, und?“, fragte ich und tat so, als wüsste ich nicht, was sie meinten. Dabei konnte ich mir denken, was sie mich fragen wollten. Sicher hatten sie mitbekommen, dass Henry bei mir geschlafen hatte.
„Naja, ist Henry heute Nacht bei dir geblieben?“ Candra bekam ganz rosige Wangen, als sie mich das fragte.
„Ähm ...“, murmelte ich und sah verlegen auf das Wasser des Pools, auf dem ein Ball schwamm. Was sollte ich nur antworten? Die Wahrheit?
„Bist du dir jetzt sicher, was du willst und was du nicht willst?“, fragte Sophie mich. Sie faltete ihre Hände und wirkte bedrückt. Dass sie Henry sehr mochte, war nicht zu übersehen.
„Also, falls ihr mich fragen wollt, ob ich in Henry verliebt bin : nein. Wir sind nur Freunde und ...“
„Hat er dir etwas erzählt? Etwas, das er sonst nicht sagen würde?“ Sophie wurde deutlicher und unterbrach mich einfach. Scheinbar wollte sie es unbedingt wissen.
„Du magst ihn, nicht wahr?“, fragte ich sie dann frei heraus. Sophie nickte.
„Und ich will erst ganz sicher gehen, dass du ihn nicht haben willst. Daher frage ich dich ja auch ständig … aber heute interessiert es mich ganz besonders.“ Sophie konnte mir nicht mehr ins Gesicht blicken. Sonst war sie ein toughes Mädchen, das nie Schwäche zeigte. Ich bewunderte sie immer für ihre Stärke, aber sie jetzt so zerbrechlich zu sehen, machte sie keineswegs unsympathischer. Ganz im Gegenteil.
„Okay ...“, begann ich meinen Satz und atmete tief durch. „Er hat mich geküsst.“ Ich sagte dies mit einer Leichtigkeit, die ich selbst kaum fassen konnte. Es war ausgesprochen und jetzt, da diese Worte meinen Mund verlassen hatten, glaubte ich, dass ich diese Situation aus meinem Herzen verbannt hatte. Es war unser erster Kuss, so ein intimer Moment. Dadurch, dass ich ihn jetzt mit Candra und Sophie teilte, war der Zauber wie verflogen. Ich sah zu Sophie. Ihr Atem stockte und sie musste schlucken, sah dann beiseite und ich bemerkte, wie sie ihre gefalteten Hände aneinanderpresste. Sie rang wohl um Fassung. Ein flüchtiger Blick zu Candra verriet mir, dass sie damit ebenfalls nicht gerechnet hatte.
„Aber“, begann ich meinen Satz, mit dem ich Sophie erlösen wollte, „ich habe dabei nichts gefühlt. Da war nichts.“ Ich lächelte und zuckte mit den Schultern. Was redete ich da nur? Warum … log ich? Natürlich war da etwas gewesen! Da war so unglaublich viel, immer noch! Dieser Kuss erinnerte mich an einen Regenbogen, so farbenprächtig und selten, so schön anzusehen. An die Tautropfen auf den Blättern im Wald nach einer kühlen und nebligen Nacht. Geheimnisvoll und glasklar, kühl und tanzend. An die wandernden Wolken am Himmel, die so viele Länder auf der Welt bereisten und auf die Erde herabsahen. Was hatte ich da nur angerichtet? Ich saß da und lächelte und sprach über den Kuss, als seien da überhaupt keine Gefühle im Spiel gewesen. So ein Unsinn! Warum sagte
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