Herzschlagmelodie - Band 1
sie wohl sagen würden, wenn ich jetzt die Treppe herunterkam? Oben gab es nur noch das Schlafzimmer von Julies Eltern und sie wussten sicher, dass ich dort nicht übernachtet hatte.
Ich ging ins Badezimmer und nahm mir vor, mich zuerst zu Hause umzuziehen, bevor ich zurück zu Julie ging. Eine Dusche hatte ich dringend nötig. Es war so furchtbar warm in der ersten Etage, dass ich ganz verschwitzt war.
Kapitel 12 – Julie
Vogelgezwitscher weckte mich. Durch die geöffneten Fenster, die den Raum in der Nacht kühlen sollten, hörte man sie besonders gut. Genervt murrte ich und wollte aufstehen, um die Fenster zu schließen. Doch dann spürte ich etwas Warmes auf meiner Hand. Nanu? Ich blinzelte und sah, dass Henry neben mir lag und meine Hand festhielt. Sofort tauchten Erinnerungen an die letzte Nacht in meinen Gedanken auf. Wie wir uns geküsst und er sich dann zu mir gelegt hatte. Und nun lag er da und hielt meine Hand. War das Zufall? Griff er nachts einfach nach etwas? Nach irgendetwas? Dann sah ich eine Kette um seinen Hals hängen. Ich entzog meine Hand seinem Griff, ohne dass er aufwachte und stupste die silberne Kette an, um sie mir genauer anzusehen.
„Aber …?“ Erstaunt stellte ich fest, dass er meine Puzzlekette trug. Ich griff mir selbst an den Hals – meine Kette war noch da. Ich nahm sie ab und sah irritiert zwischen seiner und meiner Kette hin und her, legte meine sogar neben seine Puzzlekette, um sie zu vergleichen. Konnte es etwa sein, dass … Ja. Sie passten. Man konnte die beiden Puzzlestücke zusammenfügen. Auf seiner stand „Eternal“ und auf meiner „Love“, eindeutiger ging es doch wohl nicht! Panik kroch in mir hoch und ich rutschte von Henry weg, schnappte mir meine Kette und versuchte so leise wie nur irgend möglich vom Bett herunterzuklettern.
Wir hatten uns geküsst! Das war einfach nicht gut! Es würde doch nur so enden wie bei meinen Eltern. Diese ganzen alten Gefühle für Henry waren plötzlich wieder so präsent, dass ich glaubte, wieder dreizehn Jahre alt zu sein.
Ich ging zu meinem Kleiderschrank und nahm mir eine kurze Jeanshose und ein enges, schwarzes Tanktop heraus. Damit schlich ich mich aus meinem Zimmer und flüchtete ins Bad. Ich hörte keinen Laut aus dem Wohnzimmer, das ich vom Flur aus der ersten Etage aus sehen konnte, scheinbar schliefen die anderen noch. So konnte ich in Ruhe duschen, alles aufräumen und nachdenken.
Henry würde mich sicher an den Kuss erinnern, wenn er aufwachte. Vielleicht sogar fragen, ob wir nun ein Paar seien. Nein! So weit durfte ich es nicht kommen lassen! Ich setzte mich auf den Badewannenrand und verfluchte mich für meine Schwäche. Der Alkohol hatte sicher auch sein Übriges getan, sonst hätte ich Henry doch niemals geküsst.
„Verdammter Mist!“, zischte ich. Ich vergrub beide Hände in meinen Haaren und begann schon wieder zu weinen. Was war nur los mit mir? Ich war doch sonst nicht so eine Heulsuse … Doch was, wenn Henry wirklich mit mir zusammen sein wollte? Ich musste ihm dann sagen, dass ich für ihn nichts empfand. Auch wenn das ein wenig gelogen war. Ich wollte ihn als Freund nicht verlieren und um mich herum gab es nur Pärchen, die sich im Streit trennten. Amy zum Beispiel: Sie war mit ihren letzten beiden Freunden keine vier Wochen zusammen gewesen, bevor sie sich gestritten hatten und nun kein Wort mehr miteinander sprachen. Auch Louises letzte Beziehung hatte in einem Desaster geendet. Sie war lange mit Lukas befreundet gewesen, dann waren sie zusammengekommen, hatten Sex gehabt und sich im Streit getrennt. Wenn sie sich nun über den Weg liefen, war purer Hass in ihren Augen zu sehen.
Und meine Eltern? Mein Vater traf sich mit einer Jüngeren in der Stadt und meine Mutter schrieb mit einem fremden Mann Nachrichten über ihr Smartphone. Die Bilder, die ich auf ihrem Handy gefunden hatte, waren recht eindeutig. Es war zwar nicht die feine Art, der eigenen Mutter nachzuspionieren, doch als ich meinen Vater mit diesem jungen Ding gesehen hatte, musste ich einfach sicher gehen.
Es gab die wahre Liebe doch gar nicht. Aber es gab echte Freundschaft. Und ich dumme Kuh hatte das in der letzten Nacht aufs Spiel gesetzt.
Als ich angezogen war, ging ich ins Wohnzimmer. Es war kurz nach zehn Uhr und ich brauchte erst einmal etwas zu trinken. Das Wohnzimmer sah aufgeräumt aus, nur das Geschirr stand noch in der Küche. Die Spülmaschine war noch nicht ausgeräumt, aber sie war wohl über Nacht gelaufen.
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