Herzschlagmelodie - Band 1
Lippen waren geschlossen, aber ich verspürte das Bedürfnis, sie zu öffnen. Ich wollte ihn doch schmecken … Henry jedoch entfernte sich von mir und strich mir nun zärtlich über meine Wange.
Wie, d as war’s schon? Aus und vorbei? Ende der Vorstellung? Ich wartete noch ein paar Sekunden, bevor ich mir auf meine Lippen biss und zu blinzeln begann. Lag es am Alkohol oder warf mich sein Kuss wirklich so aus der Bahn? Ich musste schlucken. Mehrmals. Noch wagte ich es nicht, Henry anzusehen. Wie würde er mich wohl betrachten? Lächelte er? Oder war ich eine schlechte Küsserin? Warum ohne Zunge? Warum … Henry küsste meine Stirn und zog mich in seine Arme. Ich konnte meinen Kopf nun auf seine Brust legen und mich bei ihm fallen lassen. Sein Herz pochte wild, – ebenso schnell wie meines.
Genau so hatte ich immer geküsst werden wollen. Damals, als ich noch in Henry verliebt war, hatte ich mir immer vorgestellt, wie er zu mir kommen würde und so etwas sagte wie: „Hey, ich liebe dich, komm, lass uns knutschen, weil du so toll bist!“ Dabei hatte ich mir immer filmreife Szenen ausgemalt, die sich am Strand abspielten oder auf einer Klippe, auf einem Boot oder im Sonnenuntergang. Dass wir uns aber wirklich küssen würden, nachts, in meinem Zimmer, ganz ohne den ganzen Schnickschnack und Kitsch, den ich mir eigentlich immer vorgestellt hatte, machte die Sache nicht schlechter. Nein, dieser Kuss war sogar viel besser, da er so ehrlich war. Aber war er denn wirklich ehrlich? Als ich so in Henrys Armen lag, war ich mir nicht sicher. Hieß das jetzt, dass Henry und ich ein Paar waren? Oder wollte er mir nur helfen? Meinte er es ernst? Er musste es ernst meinen, warum sollte er auch nicht?
„Willst du schlafen?“, fragte er und riss mich dabei aus meinen Gedanken. Ich nickte nur und setzte mich dann auf, ohne Henry anzusehen.
„Bleibst du hier bei mir? Heute Nacht?“, fragte ich ihn, als er aufstand, um das Licht auszuschalten. Dabei sah ich beiseite und spielte mit meinen Haaren, um mein Gesicht vor ihm zu verbergen.
„Möchtest du das denn?“, fragte er mich. Ich wartete noch eine Weile, doch er stand noch immer an der Tür, ohne das Licht auszuknipsen. Also nickte ich erneut, da ich kein Wort mehr herausbringen konnte.
„Okay … Ich mach dann das Licht aus.“ Er löschte es und kam zurück zum Bett.
„Ich bin wirklich müde“, log ich. Eigentlich war ich hellwach und noch immer ganz kribbelig, aber ich musste über diese Situation nachdenken, weshalb ich mich einfach hinlegte. Henry setzte sich aufs Bett und zog sich seine Schuhe aus.
„Ich lasse meine Sachen an, okay?“ Ich hatte das Gefühl, das s Henry genauso verunsichert war wie ich.
„Okay ...“, flüsterte ich und wartete ab, wohin er sich legen würde.
Ich musste also davon ausgehen, dass Henry in mich verliebt war. Denn warum sonst hätte er mich wohl küssen wollen?
In mir kamen viele Erinnerungen aus den letzten Monaten hoch. Er hatte mir beim Lernen geholfen und mich oft an der Schulter berührt oder war mir sehr nah gekommen. Aber nie so nah, das s es mir unangenehm gewesen war oder es mein Misstrauen geweckt hätte. Manchmal hatte er mich lange beobachtet, was mich ein bisschen nervös gemacht hatte. Oder das eine Mal, als wir im Pool geschwommen waren und uns den Ball zugeworfen hatten, wobei mir mein Oberteil verrutscht war. Da hatte Henry sofort weggesehen und mir gesagt, dass ich mich lieber richten sollte. Ein anderer Junge hätte sicher blöd gegrinst und genau hingeschaut. Aber wenn ich davon ausging, dass Henry mehr für mich empfand … vielleicht wollte er nicht, dass ich es wusste? Vielleicht wollte er unsere Freundschaft nicht zerstören? Oder testen, ob ich ihn auch mochte?
Nein , was dachte ich mir da nur für einen Unsinn aus? Als ob Henry in mich verliebt war! Ich war für ihn wohl eher wie eine kleine Schwester … Er ließ sich sogar von mir die Fingernägel bemalen oder boxen. Er ärgerte mich ständig und wir alberten herum. Wenn er in mich verliebt wäre, würde er sich doch ganz anders benehmen. Also hatte der Kuss nichts zu bedeuten. Ich wollte schon erleichtert aufatmen, spürte dann aber Henrys Körper neben meinem. Er lag mir genau gegenüber auf der Seite und war mir zugewandt. Ich konnte sehen, dass seine Augen geöffnet waren. Nun trafen sich unsere Blicke erneut, doch es passierte nichts weiter. Ich lächelte nur noch und schloss dann meine Augen. Jetzt, wo das Zimmer abgedunkelt war und ich
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