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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
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letzter Minute geändert. Das war gelogen«, fügte sie im nächsten Atemzug hinzu.
    »Das dachte ich mir schon.«
    »Tut mir leid.«
    »Schon gut. Sie schulden mir keine Erklärung.«
    »Meine Tochter ist angeblich vor zwei Jahren bei einem Kanuunfall ums Leben gekommen«, sagte Marcy und sah, wie Vic die Stirn runzelte und die Augen zusammenkniff. »Vor einundzwanzig Monaten, um genau zu sein. Aber man hat ihre Leiche nie gefunden. Und ich weiß, ich weiß , dass sie noch lebt, dass sie ihren Tod aus irgendeinem Grund nur vorgetäuscht hat.«
    »Warum sollte sie das getan haben?«, fragte Vic wie Peter vorhin.
    »Um auszusteigen. Ein neues Leben anzufangen. Ganz von vorne zu beginnen.«
    »Warum sollte sie sich ein neues Leben wünschen?«
    »Weil sie so unglücklich war. Weil sie irgendwelchen Ärger hatte … tut mir leid. Können wir bitte nicht über dieses Thema reden?«
    »Wir machen das, was Sie wollen.«
    »Alle sind so fest davon überzeugt, dass sie tot ist«, fuhr sie trotzdem fort, weil sie nicht anders konnte. »Aber ich weiß, was ich gesehen habe. Ich habe meine Tochter gesehen. Sie halten mich für verrückt, oder?«
    »Ich glaube, eine Mutter kennt ihr eigenes Kind.«
    Erleichterung durchströmte Marcy, wohltuend wie eine kühle Brise auf ihren erhitzten Wangen. »Sie sind wirklich nett«, sagte sie.
    »Und Sie hatten einen sehr ereignisreichen Tag. Kommen Sie. Essen Sie auf. Ich bringe Sie zurück zu Ihrem Hotel.«
    Marcy streckte den Arm aus und nahm Vics Hand in ihre. »Ich habe eine bessere Idee«, sagte sie.

KAPITEL FÜNF
    In einem hatte ihre Schwester recht, dachte Marcy, richtete sich im Bett auf und blickte in der Dunkelheit auf den Mann, der neben ihr leise schnarchte: Sex war wie Fahrradfahren. Wenn man einmal wusste, wie es ging, verlernte man es nie wieder, egal wie lange man es nicht gemacht hatte. Und es spielte auch keine Rolle, was für ein Fahrrad es war oder wie viele Gänge und andere Ausstattungsdetails mit den Jahren hinzugekommen waren. Die grundlegende Mechanik blieb immer dieselbe: Man stieg auf, trat in die Pedale und stieg wieder ab.
    Ihre Schwester musste es schließlich wissen. Wie Judith selbst zugegeben hatte, war sie auf vielen Fahrrädern gefahren.
    Marcy stieg aus dem Bett und ging zum Fenster mit Blick auf die Fleet Street. Sie war still, obwohl um zwei Uhr nachts immer noch Leute unterwegs waren. Das angesagte Temple-Bar-Viertel machte laut Vic nie wirklich dicht. Er hatte sie auf mehrere leicht bekleidete Schönheiten hingewiesen, die an der bevölkerten Bar des superschicken Hotels wie Nerzstolen um die Schultern irgendwelcher Musikindustrie-Bosse hingen.
    Marcy hatte vorgeschlagen, auf sein Zimmer zu gehen.
    »Bist du sicher?«, hatte er sie gefragt, als sie die elegant minimalistisch eingerichtete Halle seines Hotels betreten hatten.
    »Ja.«
    Sie hatten einander schnell und routiniert entkleidet und locker und unverkrampft miteinander geschlafen. Und mehr als einmal, dachte sie, als sie jetzt das angenehme Kribbeln zwischen ihren Beinen spürte. Wann hatten sie und Peter zuletzt mehrmals in einer Nacht miteinander geschlafen? Seit mindestens zehn Jahren nicht, dachte sie und korrigierte das eilig auf zwanzig.
    Sie schlüpfte in ihre Bluse, die über einem Stuhl in der Nähe des Bettes hing. Die weiche Baumwolle reizte ihre Brustwarze wie eine Erinnerung an Vics Berührung. Anfangs hatte sie gedacht, es müsse seltsam sein, sich von den Händen eines anderen Mannes an intimen Stellen erkunden zu lassen. Nach fast einem Vierteljahrhundert mit demselben Mann war sie daran gewöhnt, Dinge auf eine gewisse Weise zu tun, an eine klar festgelegte Reihenfolge, was wann und wie lange wohin kam. Mit Peter hatte sich längst ein fester Rhythmus herausgebildet – befriedigend und angenehm, wenn auch nicht mehr schrecklich aufregend. Aber trotzdem gut, hatte sie immer gedacht. Vertraut. Verlässlich.
    Sie hatte jedenfalls nicht den Wunsch verspürt, etwas zu verändern.
    Und dann, an einem strahlenden Oktobermorgen – die Luft war kalt, die Blätter an den Bäumen am Ufer leuchteten in einer prachtvollen Farbpalette von Rot über Orange bis Gold – war Devon mit ihrem Kanu auf die Georgsbucht gepaddelt, und danach war nichts mehr wie vorher.
    Marcy versuchte die Gedanken an Devon abzuschütteln und sah sich in dem sparsam, in verschiedenen neutralen Farbtönen dekorierten Zimmer um: cremefarbene Wände, weiße Laken, helle Buchenmöbel. Knallige Farbtupfer setzten

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