Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
mit.
    »Was?«
    »Die Iren nennen ihren Whiskey das Wasser des Lebens.«
    »Die Iren haben eine schöne Art, die Welt zu betrachten.«
    »Apropos schön«, sagte Vic, »habe ich schon gesagt, dass Sie wunderschön aussehen?«
    »Ja, ich glaube schon. Vielen Dank. Noch einmal.« Marcy nestelte verlegen am Kragen ihrer Baumwollbluse und fragte sich, ob sie den obersten Knopf hätte schließen sollen. Sie hatte ihren Koffer noch einmal auspacken müssen, um an die graue Hose und die weiße Bluse heranzukommen, nicht zu erwähnen die frische Unterwäsche und die hochhackigen Schuhe, aber in der frischen Kleidung fühlte sie sich besser. Sogar ihr Haar wirkte irgendwie gebändigter.
    Der Kellner kam mit ihren Drinks.
    »Auf einen Urlaub, der jeden Tag besser wird«, sagte Vic, hob sein Glas und stieß mit ihr an.
    »Darauf trinke ich.« Marcy trank einen Schluck und spürte, wie die Flüssigkeit in der Kehle brannte. »Wow. Das ist ziemlich starkes Zeug.«
    »Aber gut.«
    »Es wird mit jedem Schluck besser.« Sie sah sich in dem lauten, hell erleuchteten Restaurant um. Es war ein wenig förmlicher als das Pub, das sie in Cork gemeinsam besucht hatten, aber nicht viel. Eine Bar in der Mitte beherrschte den Raum. Darum saßen oder standen etwa dreißig Leute, die anscheinend alle gleichzeitig redeten und, was immer sie sagten, gestenreich unterstrichen. Um die Bar herum standen kleine Eichentische, die alle besetzt waren. Es gab keinen einzigen freien Platz mehr in dem Lokal. Sie hatten Glück gehabt, noch einen zu erwischen.
    »Und was halten Sie von dem ›Stiletto in the Ghetto?‹«, fragte Vic.
    Hatte Marcy ihn richtig verstanden? Sie wollte ihren Schweinkram-Fauxpas nicht wiederholen. »Was?«
    »Der Spire«, sagte er und fügte, als auch das keine Reaktion hervorrief, hinzu: »Das Monument, an dem wir unterwegs vorbeigekommen sind? Die hohe Metallnadel mitten auf der Straße?«, erläuterte er weiter. »Sie wurde als Ersatz für die von den Engländern errichtete Nelson-Säule aufgestellt, die von der IRA in die Luft gesprengt wurde. Sie ist kaum zu übersehen. Ist Ihnen nicht aufgefallen, was?«, sagte er.
    »Ich war wohl ziemlich darauf konzentriert, dieses Lokal zu finden.«
    »Ist offenbar eine Angewohnheit von Ihnen. Sich darauf zu konzentrieren, etwas zu finden«, fügte er erklärend hinzu, obwohl das nicht nötig gewesen wäre. Marcy hatte auch so begriffen, dass er sich auf die Ereignisse vom Nachmittag bezog.
    »Sie haben es ›Stiletto in the Ghetto‹ genannt?«, steuerte sie das Gespräch zurück auf sicheren Boden.
    »Besser bekannt auch als ›The Spike‹. Die Iren geben ihren öffentlichen Denkmälern offenbar gern extravagante Spitznamen. Erinnern Sie sich an Molly Malone?«
    »Die ihre Schubkarre durch die breiten und engen Straßen der Stadt geschoben hat?«
    »Genau die. Ihre Statue an der Ecke Grafton und Nassau Street hat wohl ordentlich Holz vor der Hütte, sodass die Einheimischen sie ›the Tart with the Cart‹ nennen.«
    »Nett.« Das Flittchen mit dem Karren? Sie hätte die Bluse unbedingt bis oben zuknöpfen sollen.
    »In derselben Straße gab es direkt gegenüber der Post noch ›the Floozy in the Jacuzzi‹, aber diese ›Schlampe im Whirlpool‹ war offenbar extrem hässlich. Alle haben sie gehasst, also wurde sie abgerissen.«
    »Das heißt, die Iren mögen Flittchen, stehen aber nicht so auf Schlampen.«
    Vic lachte. »Am besten gefällt mir das Denkmal für einen von Irlands größten Patrioten, Wolfe Tone.«
    Marcy kniff die Augen zusammen. Sie hatte noch nie von Wolfe Tone gehört. Es gab so viel, das sie nicht wusste.
    »Waren Sie schon im St. Stephen’s Green?«, fragte Vic.
    Marcy schüttelte den Kopf und leerte ihr Glas mit einem langen Schluck. Sie wusste ehrlich gesagt nicht, ob sie schon im St. Stephen’s Green gewesen war oder nicht. Seit ihrer Ankunft in Dublin vor fünf Tagen hatte sie kaum etwas anderes getan, als benommen in der Stadt herumzulaufen. Der Ausflug heute war ihre erste richtige Unternehmung gewesen.
    »Nun, am nördlichen Ende des Parks finden Sie einen Halbkreis aus primitiv anmutenden Steinsäulen zu Ehren Tones«, sagte Vic. »Die Einheimischen nennen ihn ›Tonehenge‹«
    Nun war es an Marcy zu lachen.
    »Ich zeige es Ihnen gern. Wenn Sie morgen Zeit haben …«
    »Nein.«
    Enttäuschung flackerte in seinem Blick auf, was er mit einem raschen Lächeln überspielte. »Haben Sie einen weiteren Ausflug gebucht?«
    »Nein. Ich glaube, mit

Weitere Kostenlose Bücher