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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
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Devon sie nach.
    »Okay, das reicht. Ich kann mich jetzt nicht darum kümmern.«
    »Das konntest du doch nie.«
    »Ich hab es versucht.«
    »So wie du es bei deiner Mutter versucht hast?«
    »Was?«
    »Du weißt, du hättest sie aufhalten können«, fuhr Devon grausam fort. »Du hättest sie davon abhalten können, von diesem Gebäude zu springen.«
    »Nichts hätte sie aufhalten können«, widersprach Marcy matt.
    »Judith hat mir erzählt, was passiert ist.«
    Nickend und mit einem langen tiefen Seufzer, der zitternd zwischen ihnen in der Luft stand, gestand Marcy ihre Niederlage ein. »Ich wollte immer nur, dass du glücklich bist.«
    »Du wolltest immer nur, dass ich normal bin«, schoss Devon zurück.
    »Ja!«, schrie Marcy ihre Tochter an und konnte den Widerhall dieses einen Wortes noch heute spüren. »Ja, ich wollte, dass du normal bist. Ist das so egoistisch? Ist das so schrecklich? Bin ich deshalb ein Monster?«
    Kühl betrachtete Devon die fließenden Tränen ihrer Mutter. »Ich bin das Monster«, sagte sie.
    »Verzeihung«, sagte jetzt jemand.
    Als Marcy sich umdrehte, löste sich Devons Gesicht in das einer älteren Frau mit weißem Haar auf, die sich beim Gehen auf einen Holzstock stützte.
    »Ich komme nicht an Ihnen vorbei«, sagte die Frau mit einem Lächeln, das ihr Gesicht vom Mund bis zu den wässrig blauen Augen in Falten legte.
    »Oh. Verzeihung.« Sofort trat Marcy aus dem Weg, damit die alte Frau vorbeigehen konnte. Wie lange stand sie schon so mitten auf der Straße, fragte sie sich mit einem Blick auf ihre Uhr. Lange genug. Bestimmt war Shannon längst verschwunden. Sie würde morgen Vormittag in die Adelaide Road zurückkehren. Wenn Shannon sie nicht bis zum Ende der Woche zu Audrey geführt hatte, würde sie in den sauren Apfel beißen und Shannon reinen Wein einschenken müssen. Ihr erzählen, dass das Mädchen, das sie als Audrey kannte, in Wahrheit ihre Tochter Devon war, und sie bitten, ihr bei ihrer Suche zu helfen.
    Das hätte sie wahrscheinlich von Anfang an tun sollen. Was hatte sie sich bloß gedacht?
    Judith würde ihr vermutlich erklären, dass sie gar nicht nachgedacht hatte, dass sie an dem Tag aufgehört hatte zu denken, an dem Devon in den eisigen Gewässern der Georgsbucht verschwunden war. »Warum nimmst du nicht die Medikamente, die der Arzt dir verschrieben hat?«, hatte sie Wochen oder sogar Monate später gefragt.
    »Weil ich keine Antidepressiva brauche.«
    »Willst du mir erzählen, dass du nicht unter ernsten Depressionen leidest?«
    »Natürlich leide ich unter Depressionen. Unter ernsten Depressionen. Aber ich habe einen Grund , deprimiert zu sein. Ich sollte deprimiert sein. Warum soll ich das verstecken? Das würde das Elend nur in die Länge ziehen.«
    »Nimm die Tabletten. Wenigstens eine Zeitlang. Bis du über den Berg bist.«
    »Okay«, hatte Marcy schließlich eingewilligt.
    Aber die Tabletten hatten die Depression durch eine dumpfe Taubheit ersetzt, die noch viel schlimmer war, sodass sie irgendwann aufgehört hatte, sie zu nehmen. Ihre Mutter hatte recht gehabt – man fühlte sich tatsächlich, als würde man im Schmetterlingsstil durch einen Sumpf schwimmen.
    Zum ersten Mal hatte sie verstanden, warum Devon die Verzweiflung lieber gewesen war als das Gefühl, so abgestumpft zu sein.
    Und in noch etwas hatte ihre Tochter recht gehabt, gestand Marcy sich ein, als sie ein letztes Mal die St. Patrick’s Street hinunterblickte. Sie hätte ihre Mutter davon abhalten können, in den Tod zu springen. Judith wusste es. Alle wussten es.
    In dem Moment, in dem sie sich umdrehte, sah Marcy einen Kinderwagen aus einem Laden fast an der Straßenecke kommen. Sekunden später tauchte auch Shannon wieder auf, schob mit einer Hand den Wagen und hielt in der anderen eine Limoflasche. Aus einem Strohhalm trinkend steuerte sie den Wagen über die Straße in Richtung Merchant Quay.
    »Okay, genug Zeit verschwendet«, sagte Marcy laut und sah sich verlegen um, ob jemand sie gehört hatte. Wenn, würde er wahrscheinlich vermuten, dass sie telefonierte. Seit der Erfindung des Handys fielen Verrückte in der Öffentlichkeit nicht mehr so auf. »Du sagst ihr einfach die Wahrheit«, fuhr Marcy laut fort. »Sag ihr, wer du bist. Bitte um Gnade.«
    Sie hatte ein gutes Stück zu Shannon aufgeschlossen, als sie einen jungen Mann auf einem Fahrrad nahen sah. Shannon lächelte und wurde rot wie eine Verkehrsampel. Der Junge hielt an, stieg ab und berührte ihren Arm, als er

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