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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
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die größte Küstenstadt und der Haupturlaubsort der Grafschaft«, begann er. »Ursprünglich war es ein kleines Markt- und Fischerdörfchen, das sich vor allem damit brüstete, dass Sir Walter Raleigh 1588 hier Bürgermeister war. Angeblich pflanzte er in Youghal die ersten Kartoffeln Irlands und führte die Einheimischen in den Genuss von Tabak ein.« Sie kamen um eine Ecke. »Wir betreten jetzt das Stadtzentrum«, fuhr Liam mit bemüht sonorem Ernst fort. »Wie in vielen Dörfern entlang der Küste mögen auch die Bewohner Youghals bunte Häuser, wie diejenigen, die Sie entlang der anheimelnden, engen Straßen zum Wasser sehen.« Er zeigte vorbei an einer Reihe von Minivans, die an der Straße parkten. »Direkt vor sich sehen Sie das berühmte Glockentor, das 1777 als Gefängnis für aufständische Katholiken erbaut wurde. Es fand auch als Folterkammer und Richtplatz Verwendung und galt deshalb lange als Symbol der Tyrannei und Schreckensherrschaft.«
    Marcy starrte auf das malerische fünfstöckige Bauwerk aus grauem Stein mit üppig bepflanzten, hübschen Blumenkästen vor den acht kleinen Fenstern. Durch den hohen Torbogen führte die Straße in den Stadtkern.
    »Sieht heute gar nicht mehr so unheimlich aus, was?«, meinte Liam.
    »Er ist wunderschön.«
    »Ja, wahrscheinlich. Hier entlang«, sagte er und führte sie vorbei an einer Reihe kleiner Läden und Cafés in grellbunten Farben – grüne Ornamente auf blauem Stuck, orangefarbene Läden vor kanariengelben Mauern, hellbraune Rahmen und türkisfarbene Säulen vor tomatenroten Haustüren. »Sehen Sie das Schild?« Er zeigte auf einen Pfeil mit der fetten Aufschrift SHOPPING. Direkt darunter stand das irische Wort: »Siopadóireacht« .
    »Was ist das?«, fragte Marcy.
    »Ich nehme an, man könnte es eine Rückkehr zu den Wurzeln nennen«, sagte er und fuhr fort zu erklären, dass es, auch wenn die meisten Menschen in Irland nach wie vor lieber Englisch sprachen, in den letzten Jahren ein großes Revival der irischen Sprache gegeben habe.
    Marcy erinnerte sich an einen Kurzurlaub mit Peter und den Kindern in Quebec City, wo die meisten Menschen Französisch sprachen und alle Laden- und Straßenschilder ausschließlich auf Französisch waren. Ihr Sohn Darren war spielend damit klargekommen, aber Devon war empört gewesen. »Sind wir nicht mehr in Kanada?«, hatte sie ungeduldig gefragt und versucht zu begreifen, wo sie war. »Was ist mit Englisch passiert?« Marcy fragte sich, wie ihre Tochter in einem kleinen Küstendorf zurechtkam, wo das uralte Gälisch ein Comeback feierte.
    Sie verließen die Hauptstraße und folgten einer Gasse, die so eng war, dass sie kaum nebeneinander gehen konnten. Trotzdem drängten sich in beeindruckender Geschwindigkeit weiter Autos an ihnen vorbei. »Vorsicht«, ermahnte Liam sie mehr als ein Mal.
    »Sind wir bald da?«
    »Fast.«
    Winzige Häuschen säumten die Kopfsteinpflasterstraße, jedes in einer anderen leuchtenden Farbe gestrichen. Die meisten waren einstöckig mit einem einzigen Schlafzimmer im Obergeschoss. »Reizend«, war wahrscheinlich das Adjektiv, das am häufigsten zu ihrer Beschreibung herangezogen wurde, dachte Marcy. Trotzdem, Devon war in einem geräumigen Haus in Hogg’s Hollow aufgewachsen, einer überaus gediegenen Wohngegend von Toronto. Ihr Schlafzimmer hatte wahrscheinlich mehr Quadratmeter als die meisten dieser Häuser insgesamt. Trotzdem hatte sie sich ständig darüber beschwert, zu wenig Platz zu haben, zu wenig Raum für sich, zu wenig Privatsphäre. Hielt sie es in solch beengten Verhältnissen wirklich aus?
    Eine enge, alte Straße ging in die andere über. Manchmal wurde ein Fenster geöffnet, und jemand rief einem Nachbarn quer über die Straße etwas zu. Zahlreiche Fahrräder flitzten zwischen den fahrenden und parkenden Autos vorbei. »Vorsicht«, warnte Liam sie noch einmal.
    »Wo entlang?«, fragte sie, als sie an einer befahrenen Kreuzung stehen blieben.
    »Diese Straße«, sagte Liam und wies nach rechts.
    »Erstaunlich, wie viel Verkehr hier herrscht.«
    »Gibt es in Toronto keine Autos?«
    »Oh, doch, jede Menge sogar. Aber bei uns sind die Straßen auch breiter.«
    »Und mit Gold gepflastert?«, fragte Liam ironisch.
    »Ja, klar. Alle Straßen Torontos sind mit Gold gepflastert.«
    »Ich glaube, das würde ich gerne sehen«, meinte Liam. »Sind Sie meine Fremdenführerin, wenn ich nach Toronto komme?«
    Kein Konjunktiv, wie Marcy sehr wohl hörte.
    »Okay, da wären wir«, sagte

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