Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
Küche gesetzt. Ich versuche angestrengt, gedanklich nicht wieder in der Ollie-Sackgasse zu landen, und konzentriere mich auf die Rechnungen. Mads hat ihre Brille aufgesetzt und tippt, die Zunge zwischen den Zähnen, Zahlen in den Taschenrechner ein. Wir haben fast alles erledigt, als aus dem Wohnzimmer aufgeregtes Gekreisch zu vernehmen ist.
»Der Stripper!«, schreit eine der Frauen. »Runter mit der Montur!«
Mads und ich beachten den Tumult nicht weiter. Stripper bei Weiberabenden vor Hochzeiten sind eine erfreuliche – Verzeihung, lästige – Ablenkung, auf die wir gut verzichten können. Außerdem wäre Gabriel wohl nicht begeistert, wenn seine Freundin in so einer lechzenden Truppe gesichtet würde. Als die Musik anfängt – wie zu erwarten war, Tom Jones, der verkündet, den Hut müsse man nicht ablegen –, beende ich schnell meine Arbeit und spähe rasch um die Ecke.
Worauf ich um ein Haar in Ohnmacht falle.
Die Musik dröhnt aus einem narzissengelben Ghettoblaster. So ein Ding gibt es ja wohl kaum zweimal in Großbritannien, geschweige denn in dieser entlegenen Ecke im Südosten von Cornwall?
Oh. Mein. Gott. Das kann doch wohl nicht wahr sein.
Während die Frauen johlen und klatschen, entkleidet sich der als Polizist aufgemachte Stripper bis auf seinen G-String und lässt seine Handschellen über dem Kopf wirbeln. Sein Gesicht kann ich wegen der Horde aufgedrehter Weiber nicht erkennen, aber plötzlich ist mir der Zusammenhang zwischen dem scheußlichen Ghettoblaster, dem blauen Fiesta vor dem Haus, Richards häufiger Abwesenheit und der Haarfarbe sonnenklar.
Richard wird doch wohl nicht …
Das ist nicht …
Das kann einfach nicht …
Ich verrenke mir den Hals, bin aber wie üblich zu klein und kann nichts erkennen. Doch als etwas zu kurz geratene weibliche fuchsrote Version von Hercule Poirot ist für mich die Sache eindeutig – ich habe das Rätsel gelöst.
Ich zupfe Maddy am Ärmel. »Komm schnell und schau dir den Stripper an.«
Sie runzelt genervt die Stirn. »Ich bin immer noch Pfarrersfrau, weißt du. Und außerdem«, sagt sie und wendet sich wieder den Büchern zu, »reicht es, wenn man so was einmal gesehen hat, die sind alle gleich.«
»Glaub mir, so einen hast du noch nie gesehen.«
»Ich will hier Rechnungen schreiben.«
»Im Ernst, Mads. Du musst dir diesen Stripper unbedingt anschauen!«
»Na schön.« Mads knallt ihren Stift auf den Tisch. »Wenn du dann endlich Ruhe gibst …« Sie schaltet ihren Taschenrechner aus und drängt sich zwischen den kreischenden Weibern nach vorn durch.
Ich schließe die Augen und fange zu zählen an. Eins, zwei, drei …
»Ja, nett«, sagt Mads, als sie zurückkommt. »Obwohl ich nicht verstehe, was du an dem besonders toll findest. Du solltest öfter mal ausgehen, wenn dich so was anturnt. Mmhm, aber der ist nicht übel!«, fügt sie mit Blick auf einen Mann hinzu, der sich in der Küche über die Spüle beugt, um Farbroller zu säubern. »Der Tapezierer hat einen echt knackigen Arsch!«
»Lass doch den blöden Tapezierer! Siehst du denn nicht, wer der Stripper ist?«, kreische ich und stelle mich verzweifelt auf die Zehenspitzen, um den Mann selbst zu sehen. «Mads! Der Stripper ist Richard! Pfarrer Rich ist ein Stripper!«
Wie aufs Stichwort verstummt die Musik, und meine Äußerung ist überall zu hören. Die Frauen drehen sich um und starren mich an. Dann treten sie beiseite, und ich kann den Stripper, auf dessen ölglänzender Haut sich indessen zahlreiche Lippenstiftspuren abzeichen, mit eigenen Augen sehen. Er steht inmitten der Frauenhorde, die Handschellen hängen schlapp herunter.
Es ist nicht Richard.
Auweia.
Aber der Maler, dessen Allerwertesten Mads gerade bewundert hat, dreht sich um, und obwohl sein Gesicht und seine Haare mit Farbe bekleckert sind, gibt es keinen Zweifel an dem Entsetzen des Mannes, der soeben feststellt, dass er von seiner Gattin und deren Freundin im Overall entdeckt worden ist.
»Richard?«, keucht Mads fassungslos. »Was ist denn das? Was um alles in der Welt machst du hier? Bitte sag mir, dass du nicht als Stripper auftrittst!«
»Natürlich nicht!«, raunzt er sie an. »Katy, was denkst du dir dabei, derartige Verleumdungen zu verbreiten? Wie kannst du es wagen zu behaupten, dass ich Stripper bin? Hast du jetzt endgültig den Verstand verloren?«
»Aber der Ghettoblaster!«, krächze ich. »Das lange Duschen! Die Haarfarbe!«
»Ich arbeite als Tapezierer, um mehr Geld ranzuschaffen, und
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