Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
Strohsack! Offenbar haben auch noch andere einen sitzen. Julius walzt auf mich zu wie ein Tsunami und presst mich gegen den Herd, wohl in der Annahme, dass ich scharf darauf bin. In der Geschichte der Menschheit gab es nie einen größeren Irrtum. Aber ich befinde mich in einer brenzligen Lage, und das nicht nur, weil der Herd meine Samthose anschmort. Soll ich Julius sagen, dass er sich zum Teufel scheren soll – was eventuell zur Folge hat, dass er die Stelle aus Gehässigkeit an Ed vergibt? Oder soll ich mir auf die Zunge beißen und ans Vaterland denken?
Nennt man so was nicht eigentlich Prostitution?
Während ich noch überlege und Julius sich schon förmlich die Lippen leckt, ertönt draußen im Flur lautes Gebrüll. Vielleicht ist es allerdings auch ein Schrei, ich bin mir nicht ganz sicher. Jedenfalls ist das meine Rettung, denn Julius macht jetzt einen Satz nach hinten wie Skippy das Buschkänguru.
»Was zum Teufel …?«, höre ich James brüllen. Dem folgt ein drohendes: »Katy!«
»Entschuldige mich«, verkünde ich fröhlich und ducke mich unter Julius’ Arm durch. »Ich glaube, James braucht mich.«
Mein Verlobter steht im Flur und starrt, puterrot vor Wut, in unser spartanisch eingerichtetes Büro, das sich in die Schneelandschaft von Narnia verwandelt hat. Und zwar komplett. Alles ist mit weißem Papier bedeckt. Papierfetzen sinken zu Boden wie selbstgemachtes Konfetti. Der Laminatboden ist unter zahllosen Blättern verschwunden, James’ Mac ist umgekippt und piept kläglich, und die italienische Aktentasche sieht aus, als sei Godzilla darüber hergefallen.
Inmitten dieses Tohuwabohus sitzt Sasha, blickt uns aus ihren schokoladenbraunen Augen unschuldig an und klopft mit ihrem Schwanz einen vergnügten Trommelwirbel auf den Boden, weil sie endlich Besuch bekommt in ihrem einsamen Kämmerlein. Ich verweise tunlichst nicht darauf, dass ihr wahrscheinlich furchtbar langweilig war, da das James wohl ziemlich gleichgültig sein dürfte.
Aus Sashas Maul hängen die Überreste eines blauen Aktenordners; jenes blauen Aktenordners, der den Bericht enthielt, an dem James wochenlang gearbeitet hat. Den Bericht, den er Julius heute Abend überreichen wollte, um ihm zu beweisen, was für einen hervorragenden Teilhaber er abgeben würde. Wenn ich daran denke, wie viel Zeit er in dieses Schriftstück investiert hat, wird mir ganz übel. Und ich möchte mir lieber nicht vorstellen, wie James nun zumute ist.
»Ich kann das erklären!«, sage ich rasch und lege ihm die Hand auf den Arm, aber er schüttelt mich ab, als habe ich die Pest.
»Nicht nötig«, faucht er.
»Aber Ollie hat mir geholfen und …«
»Ich sagte, nicht nötig!« James macht auf dem Absatz kehrt und marschiert den Flur entlang, ein wandelnder Vorwurf vom Scheitel bis zur Sohle. Dann knallt er die Schlafzimmertür hinter sich zu.
»Ach du meine Güte!«, sagt Sophie so laut, dass die Indianer im Amazonasgebiet nach Ohrenschützern greifen. »War das etwa der Bericht für Amos und Amos? Wie fahrlässig, ihn offen herumliegen zu lassen, wo er doch so wichtig ist. Das wäre meinem Edward nie passiert.«
»Unter keinen Umständen«, pflichtet Helena ihr bei. »Und du hättest auch einen anständig erzogenen Hund, nicht so einen verwahrlosten Köter.«
»Sie ist kein verwahrloster Köter«, knurrt Ollie. »Sie hatte nur Langeweile.«
»Kann ich gut verstehn«, nölt Frankie. »Soll ich uns ’n Joint drehn?«
Ich möchte im Erdboden versinken oder auf dem Mond sein. Hauptsache irgendwo anders.
Julius Millward späht verwirrt in das Büro.
»Schatz«, haucht Helena genüsslich. »Du wirst nicht glauben, was James angerichtet hat.«
»Das war er nicht«, stelle ich klar. »Es ist meine Schuld.«
Helena wirft mir einen bohrenden Blick zu. »Die Gattin eines Millward-Managers sollte ihren Mann unterstützen, Katy. Sie muss seine Gehilfin sein.«
Ich will ihr gerade mitteilen, dass sie sich ihre Weibchennummer aus den Fünfzigern sonst wohin stecken soll, als ein weiterer Schrei von James zu vernehmen ist. Diesmal ist es allerdings eher ein Schmerzens- als ein Wutschrei.
»Großer Gott!«, stottert Julius, als mein Verlobter aus dem Schlafzimmer geschossen kommt. »Was ist denn da los?«
Diese Frage ist berechtigt, denn James hüpft wie besessen auf und ab und hält sich dabei das Gesäß. Julius, Helena und Sophie starren ihn an und klappen den Mund auf und zu wie Goldfische. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass Hunderte
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