Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
englische Wetter beschließt, mir eins auszuwischen – im Nu ist das Zimmer von goldenem Sonnenlicht durchflutet. Dracula im Morgengrauen könnte es nicht eiliger haben, vor dem Licht zu flüchten, als ich, die ich mich nun hastig unter der Daunendecke vergrabe. Dabei schwappt mein Hirn höchst unerquicklich in meinem Kopf herum, und mein Magen probt den Aufstand. Wenn meine Elftklässler mich jetzt sehen könnten, würden sie ihr Leben lang keinen Tropfen Alkohol mehr anrühren.
Ollie zieht mir die Decke weg und schwenkt ein Bratspeck-Sandwich vor meiner Nase. »Bringt gar nichts, sich zu verstecken. Du musst aufstehen und den Tatsachen ins Auge blicken.«
»Lass mich in Ruhe, du Mistkerl.«
»Iss mich! Iss mich!«, quiekt Ollie und wedelt dabei mit dem Sandwich vor meinem Gesicht herum. Ich wünschte, ich könnte dieser Versuchung widerstehen. Millandra würde das gewiss mühelos gelingen. Aber ich bin leider keine zierliche Romanheldin, sondern die rundliche Katy Carter aus Fleisch und Blut, die gerade unter einem mörderischen Kater leidet und ihr Leben verpfuscht hat. Trotz Herzeleid und Grummelbauch muss ich plötzlich lachen.
»Kann ich nicht mal in Frieden sterben?«, jammere ich. »Ach, na gut. Dann gib mir halt ein Sandwich. Oder zwei.«
»Nichts für mich.« Frankie schaudert, als habe man ihm gekochtes Hirn angeboten und nicht besten dänischen Bratspeck. »Bloß keine Kohlenhydrate.«
»Umso besser, dann fällt mehr für uns ab«, sagt Ollie munter und wirft Sasha ein Stück Speck zu. Zufrieden futtern wir ein Weilchen. »Geht’s besser?«, fragt Ollie schließlich.
Ich nicke und merke erfreut, dass mein Hirn nicht mehr in meinem Kopf herumeiert. Ollie ist Experte im Kurieren meiner Brummschädel. Niemand geht fürsorglicher mit mir um als er; das Debakel vom Vorabend allerdings kann ich ihm noch nicht ganz vergeben.
Nachdem die Sandwiches verputzt sind und ich mehrere Becher Tee intus habe, fühle ich mich einigermaßen menschlich. Ich werde mir den Rest des Tages Alka-Seltzer einpfeifen müssen, aber wenigstens kann ich wieder sehen und sprechen. Jetzt muss ich mich lediglich nach Ealing trollen und bei James katzbuckeln, dann ist alles wieder gut. Er wird noch eine Weile sauer sein, sich aber letztendlich abregen. Fehler macht schließlich jeder, nicht wahr?
»Ähm, nette Idee«, meint Ollie bedächtig, als ich ihm diesen raffinierten Plan vortrage. »Aber vielleicht solltest du James noch ein bisschen mehr Zeit geben. Er war etwas aufgebracht gestern Abend.«
»Etwas aufgebracht?«, kreischt Frankie. »Der hat förmlich Feuer gespien! Zum Glück konnte ich den armen Hummer retten!«
»Dieser Hummer war zum Essen gedacht«, stellt Ollie klar, »und wäre nicht alles einfacher gewesen, wenn wir ihn gekocht hätten? Jetzt hockt das elende Vieh in meiner Badewanne; der muss inzwischen mehr Luxusbäder gehabt haben als Kleopatra.«
»Diese unheimliche Frau ist fast umgekippt, als sie den Hummer in ihrer Tasche entdeckt hat«, rekapituliert Frankie. »Ich hab echt gedacht, ihr Mann würde James verprügeln. Aber Zwicki trifft keine Schuld. Der wollte nur ein bisschen die Gegend erkunden.«
» Zwicki ist natürlich unschuldig«, sage ich finster.
»Also bin ich jetzt schuld daran, dass James ein Vollidiot ist?« Ollie fährt sich mit beiden Händen durch die Haare, die daraufhin zu Berge stehen. »Und wieso?«
»Du weißt genau, was ich meine.« Ich hieve mich aus dem Bett und erblicke dabei mein erschreckendes Konterfei im Spiegel. Die Samthose ist zerknauscht, und mein Make-up würde Alice Cooper alle Ehre machen. Obwohl meine Beine sich wie gekochte Spaghetti anfühlen und kleine Kinder wahrscheinlich schreiend vor mir davonlaufen werden, bin ich wild entschlossen, nach Hause zurückzukehren und die Wogen zu glätten. James liebt mich, nicht wahr? Wenn wir alt und grau sind, werden wir über diese Anekdote lachen. Immerhin kann ich sogar bei Cordelia lieb Kind machen, da sollte mir das bei dem Mann, den ich liebe, ein Leichtes sein.
»Du spinnst.« Ollie schüttelt den Kopf. »Du hast echt nicht alle Tassen im Schrank. Du solltest lieber froh sein, dass du gestern ohnmächtig geworden bist. James hätte dich am liebsten umgebracht.«
Nun gut. James will also Blut sehen, vorzugsweise meines. Da ich weiß, wie wichtig ihm dieser Abend war, kann ich verstehen, wenn er ein bisschen verärgert ist.
»Ein bisschen verärgert?«, echot Ollie, als ich diesen Gedanken äußere. »Er hat dich
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