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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Decker
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vernich-
    te mir auch dies lang gehegte Wunschziel.«

    Louis der Grausame
    Unter diesem freundlichen Namen findet sich der von Hesse be-
    wunderte expressionistische Schweizer Maler Louis Moilliet in
    »Klingsors letzter Sommer« (und in ↑ » Die Morgenlandfahrt«) wieder. Hesse ist seit 1918 mit ihm befreundet. Gemeinsam ziehen sie
    durchs Tessin. Hesse beginnt, durch Moilliet angeregt, regelmäßig
    ↑ Aquarelle zu malen.

    Luftreisen
    »Fliegen blieb mir Wunsch und Rätsel«, so Hesse 1913. Und tat-
    sächlich, gleich mehrmals hat Hesse darüber berichtet. Immer
    waren es Amalgame aus einer Chronik von technischen Pionierlei-
    stungen, deren Zeuge er wurde, und der Impression des anderen –
    über den irdischen Dingen schwebenden – Zustands.
    Hesse besaß ja durchaus einen technischen Sinn, schließlich hatte
    er 15 Monate in einer Turmuhrenfabrik in Calw gearbeitet. Eine
    Maschine ist das Zusammenspiel unzähliger kleiner Schrauben
    und Muttern, ineinandergreifender Zahnräder, Federn und Stifte.
    Das Geheimnis der Technik, so weiß der gelernte Techniker Hesse,
    besteht also nicht in der Konstruktion (die ist verstehbar), sondern
    in ihrer Wirkungsweise, die Tabus bricht und den Menschen in
    Zustände bringt, die ihm von Natur aus unmöglich scheinen. Zum
    Beispiel fliegen. Das erste Mal sieht Hesse am 1. Juli 1908 einen
    Zeppelin, der über Gaienhofen hinwegfährt. Er erinnert ihn an
    einen Raubvogel. So ein Zeppelin ist mit 100 PS starken Motoren
    ausgerüstet und erreicht eine Geschwindigkeit von 50 Stundenki-
    lometern. Auch Hesse wird von dem grassierenden Zeppelinfieber
    ergriffen. Kein drängenderer Wunsch, als einmal mit einem mitzu-
    fahren. Sprachlich traut der Zeppelin noch nicht so recht seinen
    Flugfähigkeiten, er fährt durch die Luft. Hesse-Verleger Albert
    Langen wird sogar das Opfer eines Zeppelins, mit dem er sich im
    offenen Wagen ein Wettrennen geliefert hatte. Das führte zu einer
    tödlichen Mittelohrentzündung. Am 23. Juli 1911 ist es für den
    sich unerschrocken gebenden Hesse soweit. Die Zeppelingesell-
    schaft lädt ihn zum Rundflug ein. Es ist das Luftschiff »Schwa-
    ben«, mit dem sich Hesse erstmals in die Vogel-Perspektive
    begibt.
    »Luftschiff«, »Flugboot« – das waren noch unsicher tastende Na-
    mengebungsversuche für die von Graf Zeppelin konstruierten
    Flugmaschinen. Die »Schwaben«, mit der Hesse fuhr, war das
    zehnte von Zeppelin gebaute Luftschiff. Erst eine Woche zuvor
    eingeweiht, 140 Meter lang, faßte es 17800 Kubikmeter Gas. Im
    Juni 1912 explodierte die »Schwaben« in Düsseldorf nach 480
    absolvierten Flugstunden, während derer sie auf 218 Fahrten 4354
    Personen befördert hatte. Hesse beschreibt die Atmosphäre seines
    ersten Emporgehobenseins über die Erde: »Aber plötzlich stieg
    das Schiff empor, und die beiden Offiziere wurden klein und be-
    gannen merkwürdig auszusehen, am Ende sah ich von ihnen
    nichts mehr als die runde Oberfläche der Mützen, die blanken
    Achselstücke und darunter die Spitzen der Schuhe, und als ich
    rasch aufstehend mich über die Brüstung beugte, entwich unter
    uns die Erde und ich hatte vom ersten Augenblick an nicht mehr
    das Gefühl, etwas mit ihr zu tun zu haben und zu ihr zu gehören.«
    Seine zweite Flugreise unternimmt Hesse im März 1913 – nun in
    der kleinen einmotorigen Maschine des Flugpioniers Oskar Binder.
    Diese Maschinen waren mit 70-PS-Motoren ausgerüstet und aus
    Holz. Es war noch richtig gefährlich da einzusteigen. Zumal Hes-
    ses Pilot erst zwei Monate seinen Pilotenschein besaß, als Hesse
    mit ihm im Satansmöbel abhob. Jetzt fährt Hesse auch nicht mehr
    durch die Luft wie mit dem Zeppelin, sondern er fliegt – ein Zu-
    stand, den Hesse einem Dichter für angemessen erklärt. Fliegen,
    das ist ihm »jene gefährliche Lust, unerschrocken zu denken, die
    Welt auf den Kopf zu stellen und von allen Dingen, Menschen und
    Ereignissen Antworten haben zu wollen«. 1919 stürzt Oskar Binder
    mit seinem Flugzeug ab, und Hesse ist durch den Krieg ohnehin
    die Leichtigkeit des Fliegens abhanden gekommen. Dann wird die
    Lufthansa gegründet (1926), und Hesse fliegt mit ihr 1928 von Ber-
    lin nach Zürich, auf dem Rückweg von einem Arztbesuch in Lank-
    witz. Es ist der dritte (und letzte) Flug, den Hesse schildert. Fliegen wird nun zum Fluchtversuch: »Man braucht nur ein paar hundert
    Meter zwischen sich und die Erde, zwischen sich und das 20.
    Jahrhundert bringen, dann wurden sie äußerst freundlich

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